DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Stichwort: Politische Bildung

Klaus Körber

Klaus Körber

Klaus Körber, Dipl. Soz., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Erwachsenen-Bildungsforschung der Universität Bremen
Kontakt: koerber@uni-bremen.de

Für politische (Erwachsenen-)Bildung gibt es keine allgemein anerkannte Definition. Gegenwärtig bemühen sich Wissenschaft und Praxis um eine Neubestimmung auf der Höhe der Zeit. Körber nähert sich dem »Stichwort« über die »Phänomene« in ihrem Zusammenhang und über ihre Aufgaben.

Politische Erwachsenenbildung hat es derzeit schwer. Weiterbildungsstatistiken weisen nur geringe Nachfrage und ein geringes Angebot dazu aus. Viele halten sie für vernachlässigenswert. Appelle an Politik und Öffentlichkeit, politische Bildung als notwendige Voraussetzung für Demokratie anzuerkennen, haben daran bisher nichts zu ändern vermocht. Statt an andere zu appellieren, sind politische Bildner daher dazu übergegangen, überfällige Aufgaben »im eigenen Haus« zu erledigen.

Dazu gehören (1.) die Erneuerung der theoretischen Grundlagen sowie die Entwicklung neuer didaktischer Konzeptionen. In jüngster Zeit sind gleich mehrere Veröffentlichungen dazu erschienen. Wieder aufgegriffen wird die frühe bundesrepublikanische Tradition, Demokratie nicht nur als politische Herrschaftsform, sondern als Lebens- und Gesellschaftsform zu verstehen (Himmelmann); angeknüpft wird zugleich an aktuelle demokratietheoretische Debatten sowie den Diskurs darüber, was für Kompetenzen und »Tugenden« die Bürger für die Demokratie denn brauchten (Massing). Unter dem Stichwort »Anerkennung« wird ein neuer pädagogischer Bezugsrahmen (Hafeneger u.a.) entworfen, in dessen Mittelpunkt nicht die politischen Institutionen, sondern die Individuen als Subjekte selbstverantworteter Lebenspraxis und deren intersubjektive Beziehungen stehen. Der gemeinsame Bezugspunkt dieser neuen Ansätze ist der autonome und kompetente Bürger (Breit/Massing); dem entspricht ein zivil- bzw. bürgergesellschaftliches Verständnis von Politik und Demokratie.

(2.) Lange Zeit fehlten differenzierte Kenntnisse über die Interessen und das Nachfragepotenzial in der Bevölkerung im Hinblick auf außerschulische politische Bildung. In den letzten Jahren sind einige regional- und trägerspezifisch begrenzte Untersuchungen dazu vorgelegt worden. Nun liegt mit dem »Bericht politische Bildung 2002« (Rudolf) erstmals eine umfassende, auf einer repräsentativen Befragung basierende »Marktanalyse« für ganz Deutschland vor. Das dort ermittelte Nachfragepotenzial übersteigt das bislang statistisch erfasste Angebot bei weitem.

(3.) Seit Jahrzehnten wird nur ein Teil des Veranstaltungsangebots an politischer Erwachsenenbildung in der Bundesrepublik, nämlich das der Volkshochschulen, regelmäßig statistisch erfasst und öffentlich dokumentiert. Mit dem DIE-Projekt »Weiterbildungsstatistik« beginnt nun endlich die systematische Erfassung der Veranstaltungen weiterer Trägerverbände und die kontinuierliche Berichterstattung darüber. Einbezogen werden dabei auch jene Anteile von politischer Bildung, die in Kombination mit beruflicher, allgemeiner oder kultureller Bildung angeboten und durchgeführt werden. Der Begriff von politischer Bildung, der den meisten der erfassten Veranstaltungen zumindest implizit zu Grunde liegt, entspricht dem oben skizzierten zivilgesellschaftlich und anerkennungstheoretisch begründeten Politik- und Bildungsverständnis. Er schließt an Traditionen der »Civic Education« bzw. der »mitbürgerlichen Bildung« (Borinski) an. Lernangebote werden nicht von Anforderungen der politischen Institutionen her konzipiert. Den Focus bilden vielmehr die Subjekte, die im Hinblick auf ihre eigene Lebensplanung und Lebenspraxis sich mit den Ansprüchen und Verpflichtungen politisch-gesellschaftlicher Institutionen kompetent auseinandersetzen bzw. sie für sich sozial verantwortlich nutzen lernen müssen. Lernfelder sind nicht nur die herkömmlichen politischen Handlungsfelder, sondern die vielen Felder bürgerschaftlichen Engagements. Empirisch geht es zunehmend weniger um die Vermittlung politischen Wissens als vielmehr um Entwicklung und Training von Handlungskompetenzen.


Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Dezember 2002

Klaus Körber, Stichwort: Politische Bildung. Online im Internet:
URL: http://www.diezeitschrift.de/22003/koerber03_01.htm
Dokument aus dem Internetservice Texte online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung
http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp