DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

»... VIELLEICHT GAR NICHT SO WEIT VONEINANDER ENTFERNT«

Studierende damals und heute – studieren heute und damals

Für zwei Stunden an einem Tisch: Studierende der Erwachsenenbildung aus zwei Generationen, mindestens. Dr. Heidi Behrens (H.B.) vom Bildungswerk der Humanistischen Union und Rosemarie Klein (R.K.) vom Büro für berufliche Bildungsplanung (bbb) auf der Seite der »älteren Semester« im Gespräch mit Alexandra Zeuke (A.Z.), Beate Scheurer (B.Sch.) und Daniel Bischoff (D.B.), heutige Studierende mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung in Köln. Die Nachfolgegeneration sieht sich selbst nicht als homogene Gruppe, auch hier gibt es schon Generationsunterschiede. Das Interview führten Dr. Peter Brandt und Hella Huntemann (DIE).

DIE: Was sind oder waren Motive, Erwachsenenbildung zu studieren? Vielleicht zunächst eine Frage an Frau Behrens und Frau Klein ...

H.B.: Erwachsenenbildnerin wollte ich ursprünglich gar nicht werden; ich habe zunächst eine Bürolehre absolviert. Aber Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre breitete sich – besonders im Bildungsbereich – eine reformfreudige Stimmung aus, und ich hatte das Glück, während meiner Berufstätigkeit ein lernförderliches Klima vorzufinden. 1973 konnte ich mein Studium aufnehmen – zunächst in Berlin, später in Frankfurt a.M. – und gehöre damit zur ersten Generation der grundständig ausgebildeten Erwachsenenbildner. Diese Reform-Euphorie – ein linkes Lebensgefühl – hieß im Gefolge von 1968/1969, politisch ambitioniert studieren zu wollen. Viele Studienanfänger, ich auch, hatten damals allerdings eine sehr strikte Art und Weise, mit Inhalten umzugehen, »bürgerliche« Wissenschaft gering zu schätzen. Weniger das Fach Erziehungswissenschaft mit einer spezifischen, aus verschiedenen Traditionen gespeisten Geschichte haben wir wahrgenommen, sondern ein pädagogisches Verständnis in den Mittelpunkt gestellt, das als Hebel für Gesellschaftsveränderungen diente.

R.K.: Diese gesellschaftliche Aufbruchstimmung galt meines Erachtens allgemein. Denken wir nur an den Wahlkampf von Willi Brandt 1972 mit seinem »mehr Demokratie wagen«. Ich habe in Münster Diplom-Pädagogik studiert und dort immer wieder Seminare nebenbei bei Johannes Weinberg belegt, der zu dieser Zeit gerade die Erwachsenenbildung dort zu etablieren begann. Und diese Stimmung und Hoffnung der Studierenden war in allen Schwerpunktbereichen zu finden: Erziehung und Bildung leisten einen fundamentalen Beitrag auf dem Weg zu einer gerechteren, humaneren und solidarischen Gesellschaft. Wir wählten das Studium, das dem Broterwerb dienen sollte, aber wir hatten auch eine Mission, die sich auf die Gesellschaft richtete.

DIE: Wie ist das heute? Ist Ihre Studienwahl ebenso politisch motiviert, oder was sind Ihre Beweggründe?

A.Z.: Für mich sind gesellschaftspolitische Fragen ein großer Motor, in der Erwachsenenbildung zu arbeiten, und mich auseinander zu setzen mit Fragen wie: Wie könnte die Erwachsenenbildung dazu beitragen, dass alle wirklich mehr Zugang zu Lernen erhalten? Das merke ich gerade bei meiner Diplomarbeit über Blended Learning, ein Lernkonzept, das Präsenzveranstaltungen und Abschnitte mit E-Learning mischt. Mich interessiert zielgruppengerichtetes Lernen, auf Lerndispositionen der Individuen eingehendes Lernen, das lebenslanges und selbstgesteuertes Lernen unterstützt. Jeder sollte nach seiner Lebenssituation und seinen Bedürfnissen lernen können; aber da gibt es natürlich auch eine Menge Kritikpunkte an diesem Lernkonzept.

D.B.: Für mich war das Studium so etwas wie ein intellektueller Ausgleichssport, um meine geistigen Kapazitäten voranzubringen. Ich habe nicht unter der Perspektive Berufsausbildung studiert, da ich noch immer im Beruf arbeite – ich bin Puppenspieler. Dadurch habe ich die Studienplanung ganz anders angepackt, mit eigenen Schwerpunkten, hab mich interesseleiten lassen und bin Umwege gegangen, die sich letztendlich häufig als die besseren Wege herausgestellt haben für mich. Aber was mir an der Uni auffällt, ist, dass sich so etwas wie ein Generationswechsel vollzogen hat. Seit ich 1999 anfing zu studieren, hat sich die Mentalität der Studierenden verändert, gerade in der Erwachsenenbildung: sehr wirtschaftsorientiert. Hohe Arbeitslosenquoten erzeugen den Druck, möglichst karriereorientiert an ein Studium ranzugehen – gepaart mit dem Missverständnis, dass die Uni eine Art Berufsausbildung zur Verfügung stellen sollte. Das hat dazu geführt, dass es zu einer thematischen Entpolitisierung der Erwachsenenbildung oder des erwachsenenbildnerischen Studiums in Köln gekommen ist. M.E. sind da unterschwellig ganz massive ideologische Strömungen zu Gange.

B.Sch.: Ich kann das mit dem Druck bestätigen – ich bin quasi die Generation danach; zwischen Daniel und mir liegen gut sechs, sieben Jahre. Bei mir im 2000-er Abiturjahrgang hießen die Alternativen Wirtschaft oder Pädagogik; BWL, meist Richtung Marketing, das wollten fast 90 Prozent, und die restlichen wurden Pädagogen. Es gab nicht viel dazwischen.

»Schnell fertig werden«

Ich wollte immer mit Menschen arbeiten und habe dann nach Heilpädagogik und Psychologie die Erwachsenenbildung für mich entdeckt. Und dann habe ich sehr schnell den Druck empfunden, schnell fertig zu werden. Es gab ständig die Diskussion: Ist es besser, intensiv zu studieren oder schnell fertig zu werden und sofort auf den Markt zu gehen?

R.K.: Das scheint mir ein wesentlicher Wechsel in Charakteristika und Image von Studierenden im Vergleich von damals und heute. Dieser Druck war bei uns gar nicht groß, obwohl die Verwendungsfelder von Pädagogik völlig unklar waren. Aber wir waren optimistisch, dass wir Arbeit finden würden. Wir hatten, glaube ich, schlichtweg mehr Zeit, uns mit Inhalten zu beschäftigen, die uns interessierten, und mehr Muße, einfach das Leben zu genießen.

DIE: Stimmt die These, dass der durch den Arbeitsmarkt ausgeübte Druck auch deshalb gut funktioniert, weil die Studierenden heute einen höheren Lebensstandard haben, den sie nicht aufgeben wollen – auch temporär nicht, und dass der Lebensstandard früher bescheidener war?

H.B.: In den 1970er Jahren gab es eine (Teil-)Kultur des Nicht-Konsumierens, die sich z.B. ausdrückte in Second- Hand-Mode, dem selbst gemachten Haarschnitt, Möbel vom Trödler. Es war eine Möglichkeit, auf kleinem Fuß zu leben und dies auch noch weltanschaulich zu unterfüttern, was in den 1980er Jahren schon schwerer war, wenn man von den Lebensstilentwicklungen nicht abgehängt sein und ein Nischendasein führen wollte.

R.K.: Ich glaube nicht, dass der Lebensstandard bei uns damals bescheidener war. Zwar war das Studentenleben günstiger – ich habe z.B. noch 1976 nur 180 DM für ein Studentenappartement in Münster im Wohnheim bezahlt, das war ungefähr ein Drittel des mir zur Verfügung stehenden Monatsgeldes. Aber daneben standen in dieser Zeit in meinem Umfeld Fernreisen hoch im Kurs. Dafür hat man dann in den Semesterferien gejobbt, um in den folgenden Semesterferien eine Rucksackreise machen zu können; mein Lebensstandard hatte weniger mit dem Frisör oder teuren Klamotten zu tun, sondern mit dem Kennenlernen der Welt durch Reisen.

D.B.: Ich finde diese Frage fast schon infam: Die Mieten sind brutal, selbst für Zimmer mit Kohleofen. Dass Studiengebühren ab dem 1. Semester von 500 Euro aufwärts drohen, findet man in Ordnung, mit einer staatlichen Rente rechnet keiner mehr von uns, am Besten, wir treffen schon Vorsorge während des Studiums. Auto und Handy braucht man für Jobs und Praktika, um erreichbar und mobil zu sein. Und einen Laptop, um überhaupt vernünftig studieren zu können. Wer nicht zu Hause wohnt, braucht heute um die 1.000 Euro. 70 Prozent der Studenten arbeiten in erster Linie und erst in zweiter Linie studieren sie.

B.Sch.: Das sehe ich genauso. Das sind keine Ausnahmesituationen. Auch die, die Geld von zu Hause bekommen, gehen zum großen Teil arbeiten. Viele können kein unbezahltes Praktikum annehmen, weil sie während der Zeit dann nicht arbeiten können. Das Problem mit den Studiengebühren ist aber nicht, dass wir nicht zahlen wollen. Wenn wir dafür wenigstens bessere Bedingungen kriegten. Wir sitzen z.T. zu 120 in einem Raum für 35 Leute. Wer Klausuren schon mal auf den Knien geschrieben hat, weiß, wovon ich rede.

A.Z.: Ich bekomme für meinen letzten Studienabschnitt einen Bildungskredit, den ich auch brauche, um abschließen zu können. Als ich mich an verschiedenen Stellen danach erkundigt habe, wurde mir gesagt, dass z.Zt. sehr viel beantragt wird und die Kassen dafür ganz schön leer sind.

DIE: Wie kann man das Verhältnis von Studium und Praxis beschreiben: Gab oder gibt es Studienanteile, die Sie mit der Praxis konfrontiert haben, oder ist eine gewisse Praxisferne normal?

H.B.: Mein Studium war nicht sehr zielgerichtet, was eine bestimmte Berufseinmündung oder ein Berufsbild betrifft, und so blieben auch Praxisfelder eher diffus. Ohnehin waren die »großen Zusammenhänge« wichtiger als die Frage, wie im Ernstfall der pädagogischen Tätigkeit später ein Lernprozess organisiert wird, welche Methoden brauchbar sind. Hinzu kam, dass Lehrveranstaltungen dazu eher selten angeboten wurden. Solche Kenntnisse habe ich mir später angeeignet; entweder durch Learning by Doing oder durch Fortbildung.

R.K.: Das Studium an sich war in der Tat eher praxisfern ausgerichtet, auch sah die Studienordnung keine Praktika vor, wenn ich mich recht entsinne. Allerdings gab es bei Interesse Möglichkeiten, sich an Projekten der Uni zu beteiligen. Das waren i.d.R. empirische Untersuchungen, wo man Lehrbuchwissen dann im weiterführenden Studium erproben konnte. Und dann gab es durchaus die »Botschaft«, man möge sich Praxiserfahrungen verschaffen. Das war einer der Gründe, warum ich in Australien nicht irgendwas gejobbt, sondern studiennah gearbeitet habe.

A.Z.: Ich habe gleichzeitig mit dem Studium angefangen, Englischkurse in der Erwachsenenbildung zu geben. Ich sehe also Studium und Praxiserfahrung zusammen als Berufsvorbereitung. Nur die Theorie wäre es jetzt nicht. Viele Kommilitonen können mit einigen Seminaren gar nichts anfangen, weil sie nicht diese Verknüpfung haben. Was ich in der Theorie lerne, sehe ich vor dem Hintergrund meiner Praxiserfahrungen und versuche das zu übertragen. Was ich in der Praxis mitkriege, das baue ich in meine theoretischen Überlegungen ein.

B.Sch.: Bei uns werden heute im Gegensatz zu dem, was Frau Behrens geschildert hat, Massen an Methodenseminaren angeboten, man kommt nicht darum herum: Das ist unser Handwerkszeug. Aber es geht dabei weniger um Inhalte. Die Praktika sind natürlich ein Weg, Einblicke in die Praxis zu bekommen. Im Moment bin ich in der Wirtschaft, weil mein Ziel ist, in die Personalentwicklung zu gehen. Aber seit ich dort bin, hat sich extrem viel verändert. Z.B. wurde im Trainingsprogramm für das kommende Jahr die Hälfte der Seminare aus Einsparungsgründen gestrichen. Personalentwicklung in dem Sinne ist tot. Nur noch auf Bedarf hin werden Seminare konzipiert. Das hatte ich mir ganz anders vorgestellt.

D.B.: Es ist schwierig geworden, im Feld Erwachsenenbildung überhaupt noch Fuß zu fassen, weil es so ungreifbar ist, welche Möglichkeiten es da eigentlich gibt. Man muss sich eigentlich selber erfinden – man muss sich auch selber seinen Arbeitsplatz erfinden. Und das hat Konsequenzen. Viele, die aus der Schule direkt ins Studium kommen, müssen in der Phase der Orientierung dann diesen Moden hinterherhetzen. Mal ist Coaching total angesagt, kurze Zeit später Supervision und dann NLP. Und wenn sie dann fertig sind, merken sie, dass das gar nichts nützt. Sie müssen in ein Feld rein, das ganz anders aufgestellt ist, als sie sich das jemals dachten. Was im Studium fehlt, ist m.E. Kreativität – wegzukommen von dem reinen Nützlichkeitsdenken.

»Teilnehmende werden ernster genommen«   

DIE: Wir haben gehört, dass Sie die Wirtschaft als ein mögliches Arbeitsfeld sehen. Glauben Sie, dass auch Wege für Sie in traditionellere Bereiche der Erwachsenenbildung führen?

B.Sch.: Ich beginne jetzt meine Diplomarbeit und bin zur Zeit in einem Praktikum in der Wirtschaft. Der Traum wäre, im Untenehmen übernommen zu werden. Aber ob Karrieredenken und Ellenbogengeschäft wirklich das ist, was ich will, weiß ich nicht. Da ist viel Administrationsarbeit dabei, das hat nichts mehr mit dem Menschen zu tun. Da ist der öffentliche Bereich vielleicht auch eine Option.

D.B.: Ich glaube, die Frage stellt sich in dieser Form gar nicht mehr so, weil die klassischen Bereiche beginnen, sich aufzulösen. Aufgrund von Sparzwängen ist im traditionellen Bereich zumindest in Köln weitestgehend Einstellungsstopp, da ist nichts mehr zu holen. Ich bin auch nicht in der Not und im Moment auch nicht bereit, in das Feld der Erwachsenenbildung zu gehen, zumindest nicht so, wie es derzeit aufgestellt ist. Ich halte es für hoch problematisch, wenn sich wirtschaftliche Interessen durchsetzen, indem sich Pädagogik mit einem wirtschaftlichen Vokabular verknüpft wie z.B. beim Schlagwort lebenslanges Lernen. Ich finde, dass da gegenwärtig ein ganz perverser Diskurs stattfindet, dem ich mich nicht anschließen möchte. Mich würde es durchaus reizen, in den Bereich der Lehrerfortbildung zu gehen, mit einer gewissen bildungspolitischen Intention, oder auch im Bereich der Hochschule zu bleiben.

A.Z.: Aus der Not heraus wird es wohl nur im wirtschaftlichen Bereich eine Stelle für mich in der Erwachsenenbildung geben. Ich kann mir vorstellen, das auszuprobieren. Aber vom Ideellen her ist das eigentlich nicht mein Ding. Vielleicht bin ich naiv, aber mein persönliches Ansinnen wäre wirklich, bei den einzelnen Menschen anzusetzen und sie in ihrer persönlichen Entwicklung zu fördern. Das führt dazu, dass das Unternehmen letztendlich davon profitiert. Nur so kann ich mir den Weg in die Wirtschaft vorstellen. Nicht das, was das Unternehmen braucht, ist meine Motivation, sondern was die einzelnen Menschen brauchen, die darin arbeiten. Aber wenn es im öffentlichen oder im Hochschulbereich Stellen gäbe, könnte ich mir das auch vorstellen. Oder auch in der Bildungspolitik, diese Gedanken werden durch meine Diplomarbeit im Moment stark angeregt.

H.B.: Sind das nicht widersprüchliche Entwicklungen? Erwachsenenbildner sind viel selbstreflexiver, Lehr-Lern- Prozesse anspruchsvoller geworden – auch demokratischer dadurch, dass Teilnehmende ernster genommen werden als während meiner Studienzeit. »Der Erwachsene« war vor allem als Kollektivsubjekt interessant, als »die Arbeiterschaft« oder »die Frauen«, die noch der Emanzipation bedurften. Das Bild vom autonomen Erwachsenen herrschte also noch nicht vor. Bei Ihnen ist von jenem pädagogischen Blick nichts zu spüren. Ihre Intentionen scheinen von vornherein eher Bestärkung und Ermöglichung zu sein. Aber die Verhältnisse, unter denen Sie studieren, erschweren zugleich die Weiterentwicklung der Teilnehmerorientierung. Es wird mir klar, dass Sie sich, wenn Sie beruflichen Erfolg suchen, anders ausrichten müssen als allein an der Logik des Faches.

R.K.: Mein Berufsweg hat mich erst spät zur Erwachsenenbildung geführt. Zunächst in ein Projekt zur beruflichen Integration von an- und ungelernten Arbeitslosen. Nach der Wende 1989 habe ich dann in der Personal- und Organisationsentwicklung in den neuen Ländern gearbeitet. Danach traf dann auch mich die Erfahrung einer Phase von Arbeitslosigkeit, was dazu geführt hat, dass ich 1993 mit Kolleg/inn/en das bbb, Büro für berufliche Bildungsplanung, gegründet habe. Und heute arbeite ich schwerpunktmäßig in der wissenschaftlichen Begleitung von Projekten und privatwirtschaftlich als Organisations- und Lernberaterin. Nach all den Erfahrungen, Selbstständigkeit und Eigeninitiative zu entwickeln, scheint es mir für heute wichtig, einen Blick auf die kleinen Veränderungen zu richten, um nicht an der Diskrepanz zwischen Notwendigem und Möglichem zu zerbrechen. Und vor allem auch, ein Bild, eine Vision davon zu entwickeln, welche Gesellschaft die neue Generation Erwachsenenbildner/ innen zukünftig will und welche Rolle Erwachsenenbildung auf dem Weg dorthin spielen soll.

DIE: Ja, wie könnte diese Vision aussehen?

A.Z.: Bildungspolitik sollte die Grundlage schaffen, dass alle am gesellschaftlichen Leben partizipieren können, dass jeder Mensch einen Zugang zum Lernen bekommt und lernt, selbstgesteuert zu lernen. Das müsste auf allen Ebenen stattfinden. Dazu muss schon in der Schule nach neuen Lernwegen gesucht werden, damit die Erwachsenenbildung später darauf zurückgreifen kann.

B.Sch.: Ich glaube, dass der Begriff Bildung heutzutage anderes gefüllt ist, als er das vor 30 Jahren noch war. Mein Wunsch wäre, die stützende Position einzunehmen für denjenigen, der sich selber bildet; mehr als Hilfestellung im Sinne von Lernberatung. Du hast deinen Weg gefunden und ich helfe dir dabei, weil ich das Handwerkszeug habe, damit das dann effektiver oder besser funktioniert.

R.K.: Empirisch ist es gesichert: Je gebildeter eine Gesellschaft, desto reicher ist sie. Aber dieser ökonomische Zusammenhang ist mir nur an zweiter Stelle wichtig. Zentral ist mir: Bildung in der klassischen Definition als Auseinandersetzung mit sich und der Welt ist die Voraussetzung für eine Gesellschaft, in der die Menschen menschlich miteinander umgehen. Eine Gefahr sehe ich in der seit einigen Jahren zu beobachtenden Reduzierung von Lernen zum Erwerb von Handlungswissen, was auf einem reduzierten Bildungsverständnis fußt, bei dem es nur noch um Nützlichkeit und direkte Verwertbarkeit geht. Lernberatung, mit dieser Funktions- und Rollenbeschreibung stimme ich überein, wäre dann auch auf Identitätsund Interaktionswissen ausgerichtet, würde nicht nur fragen, wie Individuen alles mögliche lernen, sondern sich auch der Frage öffnen, was zu lernen dem Individuum wichtig ist.

»Selbstverständigung: Brücke zwischen den Generationen«

H.B.: Die Funktionen pädagogischen Handelns diversifizieren sich, und es wird immer wichtiger, Selbstlernprozesse zu unterstützen. Ein sich entwickelnder Bereich ist auch die Stärkung der Zivilgesellschaft etwa durch veränderte Zielgruppenarbeit und Kooperationen. Diese Orientierungen sind verglichen mit denen der 1970er Jahre pragmatisch, aber viel versprechend im Sinne eines demokratischen Gemeinwesens.

D.B.: Ich sehe die Brücke zwischen meiner Generation und der älteren Generation: die Selbstverständigung. Was wollen wir voneinander, miteinander, wie wollen wir zusammen leben, wie soll das aussehen? Das ist für mich eine Frage, der sich Bildung zu stellen hat und die über Bildung bearbeitet werden kann. Da sind die Generationen vielleicht gar nicht so weit voneinander entfernt, wie man denkt. Und die Jüngeren, die jetzt von der Schule kommen, die sind schon wieder anders drauf, da kommen auch viele aus der Attac-Bewegung. Vielleicht unterliegt alles auch Schwankungsbewegungen.

DIE: Besten Dank Ihnen allen!