DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Stichwort »Generationenwechsel«

Klaus Künzel / Peter Brandt  

Ob Geburtenrückgang oder »Methusalem-Komplott« – der demographische Wandel und die Beziehungen von Jung und Alt sind in der alternden Gesellschaft zum Brennpunktthema geworden. Für die Weiterbildung ergibt sich eine Fülle von Fragen. Das vorliegende Schwerpunktthema widmet sich der generationenübergreifenden Didaktik (Beitrag Meese) und der generationengerechten Weiterbildungsfinanzierung (Beitrag Bosch).

Zugleich identifiziert es einen speziellen »Generationenwechsel« innerhalb der Weiterbildung, der nur mittelbar mit dem gesamtgesellschaftlichen Problem zu tun hat: In der Szene der Erwachsenenbildner und ihrer wissenschaftlichen Vordenker vollzieht sich gegenwärtig ein kollektiver personeller Wechsel. Im Zuge der Bildungsoffensive in den Jahren um 1970 sind erhebliche Investitionen in die Weiterbildung getätigt worden, die an Lehrstühlen für Erwachsenenbildung sowie in Leitungspositionen von Weiterbildungseinrichtungen Neubesetzungen im großen Stil ermöglichten. Die Kohorte der »Nutznießer« dieser Offensive ist in die Jahre gekommen und macht inzwischen Platz für jüngere Nachfolger (vgl. auch die Zahlen im »Dokument zum Thema«, S. 43). Diesem Phänomen widmen sich die übrigen Beiträge des Schwerpunktthemas. In ihnen werden Kollektive als Generationseinheiten verstanden, die durch zeitgleiches (Er-)Leben, gemeinsame Erlebnisverarbeitung und ähnliche Lebensperspektiven gekennzeichnet sind.

Dieser historisch-gesellschaftliche Generationenbegriff muss sorgfältig vom genealogisch-familienbezogenen (z.B. »Eltern-« oder »Großelterngeneration «) und vom pädagogisch-anthropologischen (z.B. »Lehrer-Schüler-Verhältnis«) unterschieden werden (vgl. Höpflinger 1999). Letzteres Generationenverhältnis ist, aber das sei nur am Rande erwähnt, in der Weiterbildung oft umgedreht, und je mehr ältere Teilnehmende in Veranstaltungen kommen, umso häufiger werden diese auf deutlich jüngere Dozent/inn/en treffen.

Technisch gewendet (vgl. Beitrag von Küchler) postuliert der Begriff Generation den Überlegenheitsanspruch des neueren Produkts gegenüber dem alten und scheint damit ein für allemal klar zu stellen: Das Bessere kennt nur eine Richtung, und frühere Generationen sind allenfalls unter antiquarischen Gesichtpunkten interessant.

Dieser beunruhigenden Analogie setzt Norbert Elias (1977, S. 35 ff.) sein Bild von einer Kette entgegen, in der »die Lampe des Wissens« weitergereicht wird: »Die Arbeit in den Menschenwissenschaften, wie in anderen Wissenschaften, ist ein Fackellauf: man nimmt die Fackel von den vorangehenden Generationen, trägt sie ein Stück weiter und gibt sie ab in die Hände der nächstfolgenden Generation, damit auch sie über einen hinausgeht.« Was in Elias’ fortschrittsorientiertem Duktus dem gesellschaftlichen Wissenszuwachs qua Forschung und fachinterner Kommunikation zugestanden werden mag, ist für die Generationsabfolge gesellschaftlicher Praxen und deren Professionsmitglieder keineswegs erwiesen – ja, man ist versucht zu behaupten: Angesichts der personalen Bindung beruflich- praktischer Kompetenz setzt jeder Generationenwechsel Wissen frei, das in seiner biographischen und historischen Geltung anerkannt sein mag, dessen Kontinuität sichernde Kraft aber ein ums andere Mal aufs Spiel gesetzt wird. So betrachtet sind Generationenwechsel vor allem durch den Verlust von Erfahrung und Wissen, zumindest aber von deren Geltungsschwund geprägt (vgl. exemplarisch für wissensbasierte Institutionen Kade 2004).

Wie aber verhält es sich mit dem Auftritt der nachfolgenden Akteure und deren Fähigkeit, Neues zu initiieren? Hannah Arendt (1997, S. 18) hat in diesem Zusammenhang vom Natalitätsprinzip gesprochen und im menschlichen Handeln die »Bedingungen für eine Kontinuität der Generationen, für Erinnerung und damit für Geschichte« erkannt. Der Neuankömmling ist das Wesen, dem die Fähigkeit zugesprochen wird, »selbst einen neuen Anfang zu machen«. Darin begründe sich nicht nur die Einmaligkeit jedes Menschen, sondern mittels »Vervielfältigung« auch die Pluralität der gesamten Gattung. Der Angehörige einer neuen Generation garantiert, so lässt sich schlussfolgern, die Vielfalt humaner Existenz und deren sich ausdifferenzierende Bedingtheit. 

Literatur Arendt, H. (1997): Vita Activa. München Elias, N. (1977): Adorno-Rede. Respekt und Kritik. In: ders./Lepenies,W.: Zwei Reden anlässlich der Verleihung des T.W. Adorno Preises 1977. Frankfurt a.M. Höpflinger, F. (1999): Generationenfrage. Lausanne Kade, S. (2004): Alternde Institutionen. Bad Heilbrunn