DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

UNTER VERDACHT

Zur Darstellung von organisierter Erwachsenenbildung im Fernsehkrimi

Sigrid Nolda

Maria Furtwängler, Uwe Ochsenknecht, Manfred Krug und andere spielen im Krimi zuweilen Lehrende und Lernende in Weiterbildungs- Settings und bedienen dabei das Klischee der organisierten Erwachsenenbildung als Ort problematischer Anpassungsleistungen. Sigrid Nolda hat sich verschiedene Krimifolgen angesehen und rät, das transportierte Bild nüchtern zur Kenntnis zu nehmen: Lehrende und Lernende der Erwachsenenbildung werden damit leben müssen, im Fernsehkrimi als komische oder verdächtige Gestalten aufzutreten.

Maria Furtwängler als Hauptkommissarin
Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ist eine
von mehreren "Quereinsteigern" in die Erwach-
senenbildung, die zuletzt an deutschen Fernseh-
Krimi-Bildschirmen zu sehen waren (Foto: NDR).

Die Realität organisierter Erwachsenen- und Weiterbildung spielt in den fiktionalen Genres des Fernsehens alles andere als eine große Rolle. In den für das Fernsehen gedrehten Spielfilmen und Serien ist es eher die Ausnahme, wenn Orte der organisierten Erwachsenenbildung ins Bild kommen.

So in der kürzlich (ARD, 23.1.2005) gesendeten Folge »Dunkle Wege« der Krimi-Serie »Tatort« mit Maria Furtwängler als Hauptkommissarin Charlotte Lindholm. Dort geht es um den Fall eines in der Polizeischule getöteten angehenden Polizisten. Die Kommissarin wird gebeten, als verdeckte Ermittlerin kurzfristig einen Dozenten der Schule zu vertreten, um so Kontakt mit den Mitschülern des Getöteten aufnehmen zu können. Nach kurzem Zögern akzeptiert sie den Vorschlag: »Ich brauche Material, um mich vorzubereiten. In welchem Fach überhaupt?« Schon nach 20 Minuten steht sie vor den Polizeischülern und wird erst einmal durch deren Angaben zum Stoff verunsichert: Von »kriminologischen Hintergründen«, »Lerntheorien bzw. -auffassungen« und »Konditionierungsforschung « ist die Rede, und es ist klar, dass die smarte Kommissarin davon wenig Ahnung hat. Sie gewinnt an Boden, als sie eine praktische Übung vorschlägt und der von einem Schüler vorgetragenen Lehrbuchweisheit, »dass der Kriminalist Abstand vom Geschehen halten muss, um Tatsachen objektiv beurteilen zu können«, entgegenhält: »Sie können nicht objektiv sein, wir sind immer in irgendeiner Weise voreingenommen. Aber wir können uns diese Voreingenommenheit bewusst machen und sie bewusst in die Bewertung der Sachlage miteinbeziehen«.

Dieser kurzen Szene folgen ausgedehnte, offensichtlich fernsehtauglichere Episoden in der Pathologie, in einem Restaurant mit Spielhölle, in der Wohngemeinschaft der Kommissarin.

Nach 75 Minuten taucht der erste Hinweis auf den Täter, einen Dozenten, auf. Der Dozent wird aber erst nach einem zweiten Mord an einem Polizeischüler überführt: Den ersten hatte er aus Eifersucht begangen, den zweiten, um die Erpressung durch einen Augenzeugen zu verhindern.

Was lernt der Zuschauer daraus? Bezogen auf die Darstellung des Lehrens und Lernens Erwachsener wohl Folgendes:

  1. Gute Praktiker können in der (beruflichen) Erwachsenenbildung jederzeit und kurzfristig die Rolle von Lehrenden übernehmen.
  2. Gegenüber dem Wissen, das in derartigen Ausbildungen vermittelt wird, und dem Anspruch auf dessen Praxisrelevanz ist Vorsicht geboten.
  3. Lehrende (und Lernende, die dieses Wissen kritiklos übernehmen) sind verdächtig.

Es erscheint vielleicht unzulässig, aus einem einzelnen »Fall« derartige Verallgemeinerungen abzuleiten. Andererseits steht dieser für eine ganze Reihe ähnlicher Darstellungen, die sich – in fiktionaler Übertreibung – auf allgemein verbreitete Vorstellungen beziehen: Auch Rainer Hunold ist als Dr. Sommerfeld imstande, ohne Vorbereitung auf der Weiterbildungsveranstaltung eines Pharmakonzern zu referieren (»Alte Träume, neue Liebe«; ARD, 28.1.2005).

So wie die tüchtige Kommissarin gegen das den Schülern vermittelte realitätsferne Lehrbuchwissen opponiert, so bezweifelt auch Manfred Krug als Kommissar Stöver in einer Nebenepisode der »Tatort«-Folge »Undercover Camping« (ARD, 4.7.2004) den Anspruch einer Englisch-Dozentin, ihm für seine Arbeit verwertbares Wissen zu vermitteln. Wenn die streng blickende Frau Baumgärtel, Leiterin eines Kurses »Englisch für Polizisten«, ankündigt: »Let’s go on with some phrases that might be useful for your daily work«, brummt er ein »Na hoffentlich «. Die entnervte Frage »Mr. Stover?« wird von ihm in falscher Demut und falschem Englisch mit »I’m very hot to hear this very useful phrases, Mrs. Baumgärtel« beantwortet. Und so wie sich Stöver von den eifrigangepassten Mitschülern (»Ihr seid Fortgeschrittene, ich bin Anfänger, ihr Wichser«) absetzt, so wird auch in anderen Krimi-Serien mit dem Klischee des lebensuntüchtigen Kursteilnehmers operiert. In der Folge »Hass macht blind« aus der Reihe »Siska« (ZDF, 21.12.2001) stellt Uwe Ochsenknecht einen solchen bildungsbeflissenen Sonderling dar: Als kontaktarmer, bieder gekleideter Angestellter nimmt er an einem Volkshochschul- Kurs über russische Literatur teil. Der des Mordes Verdächtige wird dort von einer sich als Teilnehmerin ausgebenden Kripo-Beamtin beobachtet. Dass der Volkshochschulbesucher dann doch nicht der gesuchte Mörder ist, liegt am Gesetz der Gattung, wonach die zunächst Verdächtigen nicht die Täter sein dürfen.

»Das Lernen Erwachsener – verdächtig und lächerlich.«

Entscheidend ist, dass das organisierte Lernen Erwachsener – entgegen allen offiziellen Proklamationen – nach wie vor als verdächtig (oder eben als lächerlich) gilt. Es ist ebenso leicht wie nutzlos, darauf hinzuweisen, dass die in TV-Krimis dargestellten Lehr- Lern-Szenen aus der Erwachsenenbildung wenig mit der Realität zu tun haben: Die Englisch-Dozentin mit strengem Kostüm, die die Leistungen ihrer Kursteilnehmer mit laut verkündeten Noten wie »Fünf minus« quittiert, dürfte ebenso ins Reich der Phantasie gehören wie der Literaturdozent, der von Anton Tschechow und »seinem Werk von Shakespearscher Fülle, mit Erzählungen und Theaterstücken, die den Vergleich mit dem großen Engländer nicht zu scheuen brauchen« schwadroniert.

Statt an die Materialien den Vorwurf mangelnder Realitätsnähe und Verunglimpfung zu richten, scheint es sinnvoller, sie als Belege einer allgemeinen, nicht explizierten Einstellung gegenüber institutioneller Erwachsenenbildung ernst zu nehmen. Erwachsenenbildung scheint hier »unter Verdacht « zu stehen: Wer an ihr teilnimmt und sie ernst nimmt, ist offensichtlich irgendwie verdächtig. Nicht wie in einer vergessenen Frühzeit, wo sie als Ort des politischen Widerstands galt, sondern weil sie als Ort problematischer Anpassungsleistungen gezeigt wird.

Die Figur der Hauptkommissarin Lindholm bildet so einen Gegensatz zur Figur des Dozenten Döring, der zackig davon redet, den Schülern »Loyalität, Integrität und Ehrlichkeit« beibringen zu wollen, und der zum Mörder wird, als er von seinen Schülern hintergangen und erpresst wird. Die Kommissarin dagegen hatte sich – woran sie der Rektor der Schule erinnert – in ihrer eigenen Ausbildungszeit geweigert, den Namen eines Mitschülers preiszugeben, den sie beim Diebstahl überrascht hatte, und war nur knapp dem Ausschluss von der Schule entgangen. Während die Kommissarin nach eigenem moralischen Ermessen gehandelt hatte und dies auch heute noch tut, erscheint der Dozent hilflos den Normenvorgaben ausgeliefert und unfähig, Unrecht anders als mit Selbstjustiz zu begegnen.

Nun entspricht aber die Botschaft dieser (und vieler anderer) Fernseh-Filme, also die »Pädagogik der Medien«, durchaus Vorstellungen, wie sie die allgemeine Erwachsenenbildung und die berufliche Weiterbildung seit geraumer Zeit vertreten, denen die Idee angeblich festen Wissens ebenso verdächtig ist wie dessen kritiklose Übernahme. Dass dies auch von professionell Lehrenden in der Erwachsenenbildung vermittelt werden kann und dass diese nicht kurzerhand von guten Praktikern ersetzt werden können, scheint dagegen nicht im Vorstellungshorizont der Drehbuchschreiber von Fernsehkrimis zu liegen.

Die nicht eben neue Klage über die marginale und verzerrte Darstellung der Erwachsenenbildung in den Medien bringt aber nicht weiter. Neben dem Einblick in bestehende negative Stereotype bieten Fernsehkrimis die Möglichkeit, den dort vermittelten Bildern und Rollenvorgaben von Erwachsenen nachzugehen, hier der biographisch entschlüsselten Figur der Kommissarin, die ihre Berufsaufgaben ernst nimmt, dabei aber – wie übrigens auch in ihrem Privatleben – selbstverantwortlich und unkonventionell entscheidet. Dieser positiven Heldin dient die Polizeischule als Institution der Erwachsenenbildung nur als Hintergrund, vor dem sie sich umso deutlicher abhebt. Lehrende und Lernende der Erwachsenenbildung werden also damit leben müssen, im Fernsehkrimi als komische oder verdächtige Gestalten aufzutreten: Die Helden sind und bleiben die Ermittler, nicht die Vermittler.