DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Auf das Eigeninteresse der Anbieter setzen

Bundespolitik für mehr Qualität in der Erwachsenenbildung

Veronika Pahl

Veronika Pahl ist Leiterin der Abteilung Allgemeine Bildung/Berufliche Bildung im Bundesministerium für Bildung und Forschung

Der Bund hat innerhalb verfassungsrechtlicher Grenzen inhaltlich bildungspolitische Kompetenzen. Dies äußert sich in vielfältigen Programmen und Initiativen, auch im Bereich der Weiterbildung. - Veronika Pahl, zuständige Abteilungsleiterin im BMBF, hat für DIE Zeitschrift einen Überblick über die wichtigsten Maßnahmen erstellt und die politischen Leitlinien dahinter skizziert. Sie systematisiert Qualitätsfragen nach Input-, Output- und Prozessqualität. Aufgrund der pluralen Verfassung der Weiterbildungsszene kommt v. a. der Konzertierten Aktion Weiterbildung (KAW) eine hohe Bedeutung zu.

Abstract
Within the bounds of constitutional law, the Federal Government has educational-political powers concerning educational contents. These it exercises in manifold programmes and initiatives, among others in the area of further education. Veronika Pahl, head of the competent department in the Federal Ministry of Education and Research (BMBF) gives a summary of the most important initiatives along with the political considerations that form their background. Quality problems are grouped in categories of input, output and process quality. On account of the pluralistic structure of the further education sector the Joint Initiative for Further Education (KAW) plays an important role in this discussion.

Qualitätssicherungs- und Qualitätsmanagementprozesse können als ein Motor für Veränderungen in allen Bereichen des
Bildungssystems gelten. So lautet bereits ein Schlüsselbefund aus der Delphi-Befragung 1996/98 des BMBF zu den „Potentialen und Dimensionen der Wissensgesellschaft". Die Qualität der Angebote und Strukturen in der Weiterbildung ist ein Thema, das mehr und mehr die Diskussion beherrscht. Im Berichtssystem Weiterbildung (BSW) haben im Jahre 2000 62% der Bundesbürger Qualitätssicherung als sehr wichtig bzw. eher wichtig eingeschätzt.

Der Ständige Ausschuss der Konzertierten Aktion Weiterbildung (KAW) hat kürzlich seine Stellungnahme zur Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung vorgelegt. Die Diskussionsgrundlage der vorliegenden Stellungnahme bilden die bisherigen Erfahrungen der einzelnen Mitgliedsverbände der KAW sowie die Diskussionsergebnisse der von der KAW zu diesem Themenfeld durchgeführten Fachtagung „Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung - politischer Handlungsbedarf" (25./26. Juni 2001). Die KAW stellt fest, dass die Realisierung von Ansätzen des Qualitätsmanagements für Träger und Einrichtungen der Weiterbildung zur dauerhaften Aufgabe geworden ist. Damit verbunden formuliert sie Handlungsanforderungen, die es verdienen, wegen ihres konsensualen Charakters im Einzelnen aufgeführt zu werden:

Auch das Forum Bildung hat Empfehlungen zur Qualitätssicherung erarbeitet:

In der betrieblichen Weiterbildung und in der von der Bundesanstalt für Arbeit geförderte Weiterbildung seien eine ausreichende Nachfragemacht zur Durchsetzung der geforderten Qualität.

Fasst man die in der Diskussion befindlichen Empfehlungen und Notwendigkeiten zusammen, bietet sich eine Strukturierung nach Verbesserung von Inputqualität, Outputqualität und Prozessqualität an. So systematisiert auch das BMBF grundsätzlich seine Vorstellungen zur Weiterbildungspolitik.

Parallel hierzu ist eine Aussage zur ordnungspolitischen Di
mension
und damit zur Qualität des Systems als Ganzen notwendig. Der plurale Weiterbildungsmarkt erfordert, wenn die Eigenverantwortung der Träger erhalten werden soll, bei der Qualitätsentwicklung ein Vorgehen, das auf das Eigeninteresse und die Selbstmotivation der Anbieter setzt. Der Bund bewertet die Forderungen nach einem Bundesgesetz zur Weiterbildung als nicht hilfreich. Er respektiert nach wie vor die Möglichkeiten und verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Aktivitäten im Bereich des lebenslangen Lernens. Für hin und wieder vorfindbare Befürchtungen, der Bund könne durch seine inhaltliche bildungspolitische Kompetenz, die z. B. in der Implementation von Leistungsvergleichen, von Programmen der BLK oder in Anstößen zu Bildungsberichten sichtbar wird, die föderative Kompetenz der Länder aushöhlen, gibt es keinen Anlass.

Die plurale Verfassung der Weiterbildungsszene erfordert einen angemessenen Ort zur Behandlung von Fragen und Problemen, deren Lösung im Interesse der Mehrheit der Akteure ist. Das BMBF sieht in der Konzertierten Aktion Weiterbildung (KAW) den geeigneten Ort der Kooperation von Verbänden und Akteuren, denn diese versteht sich als ein unabhängiges Forum aller im Bereich der allgemeinen, politischen, beruflichen und wissenschaftlichen Weiterbildung Verantwortlichen. Sie nimmt Aufgaben der Politikberatung wahr und ist Ansprechpartnerin und Impulsgeberin für die Weiterbildung. Ziel der KAW ist es, handlungsorientierte bildungspolitische Empfehlungen zu entwickeln, um die Bedeutung der Weiterbildung zu fördern.

Die Verbesserung der Inputqualität bezieht sich auf das Personal, auf die Einrichtung selbst und auch auf das Bildungsangebot.

a) Da die Qualität der Bildungsarbeit wesentlich durch das Können der Lehrenden bestimmt wird, ist die Fortbildung des Personals in der Weiterbildung eine Schlüsselaufgabe. Im Auftrag des BMBF hat das DIE eine umfangreiche Bestandsaufnahme und Defizitanalyse zum Handlungsfeld „Professionalisierung des Personals" insbesondere unter dem Aspekt neuer Anforderungen („Realisierung neuer Lehr- und Lernkulturen") erstellt. Wichtiges Ergebnis dieses Projekts ist der Vorschlag, ein modulares Fortbildungsangebot für Lehrende in der Erwachsenenbildung zu entwickeln, in dem die notwendigen Kompetenzen wie in einem Baukastensystem auf unterschiedlichen Wegen erworben werden können. Die Entwicklung und Erprobung entsprechender Konzeptentwicklungen dürfte eine wichtige Aufgabe für die nächsten Jahre sein. Im Bereich der beruflichen Bildung unterstützt das BMBF weiterhin die Qualifizierung der Mitglieder der Prüfungsausschüsse.

b) Professionalisierung bedarf der Ergänzung durch Vorhaben, welche die Leistungsfähigkeit der Einrichtungen selbst verbessern. So unterstützt das BMBF mit der Förderung eines DIE-Projekts SELBER Modernisierungsaktivitäten von Weiterbildungseinrichtungen. Damit werden bereits vorhandene best-practice-Erfahrungen genutzt, um Anregungen und Impulse für die Praxis der Erwachsenenbildung bundesweit vermitteln zu können. Diese Förderrichtung wird das BMBF weiter verfolgen.

c) Bund und Länder haben sich im Rahmen des BLK-Modellprogramms „Lebenslanges Lernen" verständigt, die Palette der Ländervorhaben um sog. „Verbundvorhaben" zu ergänzen. Die Verbundvorhaben werden ausschließlich aus BMBF- und ESF-Mitteln finanziert. Ziel ist es, gemeinsam erkannte „weiße Flecken" unter gemeinsamer Verantwortung möglichst vieler - am besten aller - Länder thematisch zu besetzen. Ziel ist weiter, soweit sachlich geboten, nicht länger über Reformen zu reden, sondern in die Fläche wirkende praktische Umsetzung von bereits entwickelten Konzepten zu versuchen. Als erstes wurde auf diesem Wege das Verbundprojekt „Qualitätstestierung in der Weiterbildung" vereinbart und ausgeschrieben. Erfreu-licherweise beteiligen sich an diesem Vorhaben, das an einen Modellversuch in Niedersachsen sowie an ein vom BMBF gefördertes DIE-Vorhaben anknüpft, alle Länder. Dazu hat sicher auch die gute Vorarbeit seitens der Volkshochschulen beigetragen. Geplant ist zunächst eine (kurze) Vorlaufphase, in der neben vielen inhaltlichen, praktisch-organisatorischen und Finanzierungsfragen auch die in einer BLK-Vereinbarung zu treffenden Entscheidungen für die Umsetzungsphase vorzuklären sind. Danach kann der Bund dieses Vorhaben zusammen mit der Europäischen Gemeinschaft bis 2006 fördern. Ein weiteres Verbund-Vorhaben zum Thema „Weiterbildungspass" mit Zertifizierung des informellen Lernens greift die Vielfalt der Zertifizierungen und Checklisten auf und zielt auf eine der Transparenz und Motivation der Nutzer dienliche Vereinheitlichung.

Letzteres leitet über zu der Frage, welche Wirkungen denn die Angebote bei den Adressaten und Adressatinnen erzielen (Outputqualität). Lernen in der Wissensgesellschaft sollte es jedem Menschen ermöglichen, sein Wissen und seine Fähigkeiten auszubauen, Handlungskompetenz und spielräume zu erweitern sowie Qualifikationen zu erwerben oder an neue Anforderungen anzupassen. Die Qualität von Bildungsleistungen bemisst sich demzufolge vor allem an dem, was sie bei Lernenden bewirkt und inwieweit sie alle Gruppen, also auch Bildungsferne und Benachteiligte, erreicht.

Externe Evaluation der Wirkungen von Weiterbildung ist ein schwieriges Feld. Eine entsprechende Machbarkeitsstudie ist erfolgversprechend abgeschlossen worden (siehe „Dokument", Anm. d. Red.). Ab Juli 2002 wird die Qualität von Kursangeboten im Bereich der beruflichen Weiterbildung durch unabhängige Tests untersucht. Dies erfolgt im Auftrag des BMBF durch die „Stiftung Warentest", die eine neue Abteilung „Stiftung Bildungstests" einrichten wird. Diese Testergebnisse werden eine wichtige Orientierungshilfe für Weiterbildungsinteressenten sein. Es wird erwartet, dass generell eine Verbesserung der Qualität der Angebote folgt.

Im Bereich der allgemeinen Erwachsenenbildung dürften Tests dieser Art auf große Akzeptanzprobleme treffen. Gerade in der politischen und der ethischen Erwachsenenbildung ist damit zu rechnen, denen es um Reflexions- und Meinungsbil
dungsprozesse geht, oder der Alphabetisierungsarbeit, bei der Lernbarrieren erkannt und überwunden werden müssen.

Hier ist der Weg zu mehr Outputqualität derzeit eher in der Herstellung von Transparenz zu suchen. Sie erlaubt im Idealfall unmittelbar den Test durch den einzelnen Nachfrager. Mit einem entsprechenden Projekt begegnet das BMBF dem derzeit sehr unübersichtlichen Markt der Weiterbildungsangebote. Seit Jahresbeginn wird der Aufbau eines nutzerorientierten Portals zu den über 70 Weiterbildungsdatenbanken im Internet gefördert. Damit sollen weiterbildungsinteressierte Nutzer/innen schrittweise bis zum Jahr 2004 unter einer einheitlichen Adresse aus dem gesamten Kursangebot mit vertretbarer Redundanz und genügend großer Relevanz das sie interessierende Angebot abfragen können. Mit diesem Projekt, bei dem im Übrigen eine Ausweitung in die EU angestrebt wird, sollte es auch möglich sein, die vielfältigen, in der Praxis erarbeiteten Qualitätssiegel transparent zu präsentieren.

Die bereits von vielen Einrichtungen praktizierten „Selbstevaluationsprozesse" verdeutlichen ein wachsendes Qualitätsbewusstsein bei Erwachsenenbildner/innen, Einrichtungen und Verbänden, eine zunehmende Sensibilität für Qualitätsfragen sowie eine steigende Bereitschaft zur Zusammenarbeit und zur Veränderung der eigenen Arbeit und Einrichtung. Für die weitere Zukunft wird es darauf ankommen, die strukturellen Qualitätskomponenten weiter systemisch zu verknüpfen.

In einem wechselseitigen Prozess von externer Evaluation und Selbstevaluation, verknüpft mit Konzepten der Organisations- und Personalentwicklung, sollten permanente, auf Stetigkeit und Kontinuität angelegte Qualitätsmanagementsysteme etabliert werden. Angesprochen ist damit die Notwendigkeit einer Organisationsentwicklung im Sinne „lernender Organisationen". Dies ist ein anspruchsvolles und zeitraubendes Unterfangen, das alle Komponenten zusammenführt. Die KAW zielt mit ihrer Formulierung „Entwicklung eines Strukturmodells im Sinne eines Leitbildes unter Berücksichtigung der relevanten Kriterien für die Qualitätsentwicklung" in die gleiche Richtung.

In diesen Zusammenhang gehören auch die Verbesserungen in Bezug auf das Wissen über das Weiterbildungssystem selbst. Querschnittserhebungen wie das „Berichtssystem Weiterbildung" des BMBF oder die Nutzung des Sozioökonomischen Panels für Items zur Weiterbildung sind bereits eine große Hilfe, können aber nicht alle Fragen abdecken. Das Gleiche gilt für die Geschäftsstatistiken der Verbände. Das BMBF hat hierzu an das DIE ein Projekt vergeben, das ein einheitliches Erhebungsmuster bei den größten Anbietern allgemeiner Weiterbildung verfolgt („WB-Statistik"). Es müssen alle Wege zur Verbesserung der Informationssituation gegangen werden, um politische Entscheidungen ausreichend absichern zu können.


Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Juli 2002

Veronika Pahl, Auf das Eigeninteresse der Anbieter setzen. Online im Internet:
URL: http://www.diezeitschrift.de/32002/positionen6.htm
Dokument aus dem Internetservice Texte online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung
http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp