DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Stickwort: Nutzen von (Weiter-)Bildung

Peter Brandt

Bildung nützt. Diese Selbstverständlichkeit verlangt angesichts knapper werdender Ressourcen zunehmend nach Präzisierung: Was, wem, wieviel und wozu nützt Bildung? Immer öfter werden Aufwendungen für Bildung an erwarteten oder belegten Nutzen gekoppelt.

»Nutzen« ist kein Stichwort der einschlägigen pädagogischen Wörterbücher. Bisher ist das Feld der Nutzenerforschung – zumindest unter diesem Label – der Bildungsökonomie überlassen. Diese hat weit mehr zur Nutzenseite zu sagen, als man gemeinhin anzunehmen pflegt. Sie hat längst eine enge ökonomische Sicht abgelegt und interessiert sich auch für die social benefits von Bildung. Die Qualität der Berechenbarkeit des Nutzens allerdings bleibt je höher, desto enger der Zusammenhang zu Zahlen und damit zur finanziellen Seite ist.

Bildung nützt dem, der (sich) bildet: Solchen Nutzen nennt die Bildungsökonomie »internen Ertrag«, monetärer und nichtmonetär.

Bildungsrenditen etwa werden für unterschiedliche Bildungsabschlüsse errechnet und setzen die Kosten von Bildungswegen ins Verhältnis zu durchschnittlichen Lohn- und Einkommenseinkünften. Die durchschnittliche Rendite eines Hochschulstudiums liegt (vgl. Avenarius u. a. 2003, S. 246f.) bei 7,9 Prozent (Männer) bzw. 9,7 Prozent (Frauen). Die höchsten Renditen haben Fachschulabschlüsse (Männer: 10,9 %; Frauen: 12,9 %). Für die Weiterbildung liegen vergleichbare Zahlen bisher nicht vor.

Nicht zu unterschätzen sind auch sog. Opportunitätserträge, ein Nutzen der dadurch entsteht, dass bestimmte Kosten vermieden werden (Beispiel: Ein Unternehmen bildet selber aus, statt teures Personal einzuwerben).

Nichtmonetäre Erträge können beschäftigungsbezogen (günstigere Arbeitsbedingungen, interessantere Tätigkeit, Autonomiegewinn, wachsender Schutz vor Arbeitslosigkeit) oder ohne beruflichen Zusammenhang sein: Bildung zahlt sich z. B. aus »bei der Gesundheitsvorsorge ebenso wie beim Konsumverhalten, der Kindererziehung, der Haushaltsführung und Freizeitgestaltung« (ebd., S. 249, eine genauere Analyse der Indikatoren und Lit. ebd., S. 249–251).

Die Bildungsziele anspruchsvoller Bildungstheorien allerdings ­– wie Entfaltung der Persönlichkeit, Horizonterweiterung, Identitätsbildung etc. – weisen auf einen intrinsischen Nutzen, der sich dem Zugriff der Bildungsökonomie entzieht.

Wenn sich Menschen bilden, hat dies auch einen Nutzen außerhalb der Individuen. Solches nennt die Bildungsökonomie »externen Ertrag« und unterscheidet dabei wiederum im engen Sinne ökonomische von gesellschaftlichen Erträgen. Externe Bildungserträge sind: Wirtschaftswachstum, weniger Kriminalität, Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der demokratischen Ordnung. Manche der internen Erträge weisen zugleich solche Externalitäten auf (z. B. eine bessere individuelle Gesundheitsvorsorge).

Die unterschiedlichen »Nutznießer« und Nutzenarten prägen auch das komplexe Feld der Nutzenmessung. Die zugehörigen Methoden sind entsprechend ausdifferenziert. So misst die betriebliche Weiterbildung den Nutzen von Maßnahmen für das Geschäftsergebnis im Rahmen des Bildungscontrolling. Bildungsmaßnahmen oder ganzen Programmen widmen sich Evaluationen. Dabei firmieren als Nutzenindikatoren Teilnehmerzufriedenheit, Qualität, Effizienz, Lerneffekte/Lernerfolg/Output oder auch Outcome/Impact/Wirkung.

Letztlich handelt es sich beim Nutzen um eine »Black Box«, und die genannten Indikatoren sind nicht mehr als Näherungsbegriffe – zu unterschiedlich sind die individuellen Nutzenkalküle und Nutzenerfahrungen im Zusammenhang mit Bildung. Lernerfolg ist z. B. ein sehr klar vom Nutzen unterscheidbarer Begriff, insofern auch viel Unnützes erfolgreich gelernt werden kann.

Der Nutzenbegriff markiert in den Bildungswissenschaften außerhalb der Bildungsökonomie einen blinden Fleck. Dies dürfte auf der verbreiteten Ablehnung eines Bildungsbegriffs beruhen, der sich leicht für Verwertungsinteressen instrumentalisieren lässt. Distanzierung von utilitaristischen Vereinnahmungen hin oder her – praktisch dürfte die Nutzenfrage auch deshalb umschifft werden, weil man den künftigen, am Nutzen orientierten Ressourceneinsatz scheut.

Literatur

Avenarius, H. u. a. (2003): Bildungsbericht für Deutschland. Erst Befunde. Opladen

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Juni 2004
Peter Brandt, Stickwort: Nutzen von (Weiter-)Bildung:
URL: http://www.diezeitschrift.de/32004/brandt04_01.htm
Dokument aus dem Internetservice Texte online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung
http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp