DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Erster Open-Access-Titel in DIE-Buchreihen

wbv und DIE beschreiten neue Publikationswege

Open Access (OA) bietet die Chance, wissenschaftliche Erkenntnisse schnell, global und für die Nutzer entgeltfrei über das Internet zugänglich zu machen. Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. (DIE) unterstützt diese Möglichkeit des Wissenstransfers bereits seit Ende der 1990er Jahre und gehört damit im Bereich der Erziehungswissenschaften zu den Pionieren in diesem Segment. Ab sofort werden einzelne Titel der DIE-Buchreihen für den unmittelbaren Open Access produziert (»goldener Weg«). Der erste Band dieser Art ist »Leben erzählen – Leben verstehen« von Marianne Horsdal. Dieser Titel der Reihe »Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung« ist besonders für all jene interessant, die sich mit Ansätzen qualitativer Forschung, mit Narration und Biografie beschäftigen. Über die Open-Access-Strategie sprach Dr. Marion Steinbach (DIE) mit den Verantwortlichen der Kooperation in Verlag und Institut, Joachim Höper und Dr. Peter Brandt.

DIE: Das DIE ist mit seinen Publikationen schon länger im Bereich Open Access aktiv. Was hat den W. Bertelsmann Verlag als Partner des DIE bewogen, Publikationen im Open Access zur Verfügung zu stellen? Schließlich verdienen Sie mit dem Verkauf der Produkte Ihr Geld.

Höper: Eine der Kernaufgaben von Verlagen ist die Sichtbarmachung und Verbreitung von Inhalten. Dieser Aufgabe fühlen auch wir uns verpflichtet. Der freie Zugang zu den Ergebnissen öffentlich finanzierter Forschung ist politischer Wille und Ziel zahlreicher Initiativen innerhalb der EU. Es geht hierbei also nicht um das ob, sondern darum, wie dieser Prozess zwischen Produzenten, Nachfragern und Dienstleistern der Informationen organisiert wird. Zu den Aufgaben gehört es, die Qualität der Inhalte und die Professionalität in der Form sicher zu stellen, große Reichweiten zu schaffen und Lizenzen sinnvoll zu vergeben, um eine größtmögliche Nutzung und Verfügbarkeit in verschiedenen digitalen Formaten zu eröffnen. Wir vollziehen hier einen Rollenwechsel vom Verlag hin stärker zu einem Dienstleister für die Wissenschaft.

DIE: Was hat das DIE bewogen, den Schritt in Richtung OA zu gehen?

Brandt: Das DIE hat schon mehr als zehn Jahre Erfahrung mit Open Access. Im Format »texte.online« sind zwischen 2000 und 2011 rund 300 Texte unmittelbar für das Netz publiziert worden. Daneben haben wir zahlreiche Verlagstitel ins Netz gestellt, nachdem diese nicht mehr weiter kostenpflichtig vertrieben wurden, im sogenannten »grünen Weg«. Hier konnten wir mit dem wbv entsprechende Fristen aushandeln, nicht nur für Zeitschriften, sondern auch für Bücher. Ausschlaggebend war dabei stets der Gedanke der bestmöglichen Erreichbarkeit von Publikationen. Mit seiner Open-Access-Policy hat das DIE 2010 Entwicklungslinien für die Arbeitsbereiche Publikationen und Bibliothek vorgelegt, die den Grundstein bilden für die jetzt vollzogene Veränderung bei den etablierten und zielgruppenspezifisch zugeschnittenen Buchreihen.

DIE: Welche Produkte werden künftig im OA erscheinen?

Brandt: In jeder der vier DIE-Buchreihen sind künftig einzelne Titel als Open-Access-Publikationen geplant. Entweder solche, für die sich externe Finanziers finden, die statt früher einen Druckkostenzuschuss heute lieber einen Zuschuss für große Verbreitung aufbringen. Oder das DIE übernimmt die Kosten, wenn es als Institut besonders für das Thema einsteht und die Zielgruppe für ein gedrucktes Werk zu klein ist. Auch eine thematische Passung kann für die Entscheidung ausschlaggebend sein, ein Werk online zu veröffentlichen. Wir bereiten gerade einen Perspektive-Praxis-Band für den Einsatz des ProfilPASS in Unternehmen der freien Wirtschaft vor. Da die Zielgruppen über die klassische Kommunikationskanäle für Fachliteratur aus der Erwachsenenbildung schwer zu erreichen sind, setzen wir hier auf die Verbreitung im Netz – auch vermittelt über Empfehlungen in Sozialen Netzwerke. Die damit verbundenen Kosten trägt das DIE gerne, denn so werden Menschen auf das DIE aufmerksam, die in ganz anderen Arbeitszusammenhängen unterwegs sind.

DIE: Wie verträgt es sich mit dem Reihenprofil, wenn ein Teil der Bände in einer Buchreihe online erscheint?

Brandt: Die Grundüberlegung besteht in einem Perspektivwechsel, der heißt: Die Titel der DIE-Buchreihen sind früher oder später offen im Netz zugänglich. Das ist die verbindende Klammer. Einzelne Titel stehen ab sofort kostenlos zur Verfügung, d.h. hier beschreiten wir den goldenen Weg, andere nach einer Phase der Einspielung von Umsätzen am Markt, hier nutzen wir also den grünen Weg. Also ist nicht mehr der Online-Titel die Ausnahme, sondern gewissermaßen die befristete Verwertung durch den Verlag.

DIE: Welche Publikationen/Reihen plant der wbv im OA sonst noch frei zugänglich zu machen?

Höper: Wir freuen uns, dass wir gemeinsam mit dem DIE für die bereits etablierten DIE-Reihen attraktive Angebote sowohl für den grünen als auch den goldenen Weg realisieren können. Wir haben im Feld der Erziehungswissenschaften allerdings eine Kuriosität festgestellt: Viele fordern zwar Open Access, sie sind aber selbst oftmals noch nicht bereit, selber in dieser Form zu publizieren. Ein Grund hierfür ist, dass die Frage der Qualitätssicherung bzw. »Qualitätsvermutung« oft nicht klar beantwortet ist. Derzeit sind wir mit weiteren Herausgebern und Institutionen im Gespräch über die Integration von Open Access in bestehende oder neue Publikationskonzepte. Es ist noch zu früh, um hier schon weitere Reihen zu nennen, aber wir werden das Thema engagiert vorantreiben.

DIE: Wie wird sich die wissenschaftliche Publizistik durch OA entwickeln?

Höper: Die Erziehungswissenschaft kooperiert – im Gegensatz zu den Naturwissenschaften – zu einem Großteil mit mittelständisch organisierten Verlagen. Der Umstieg auf digitale Produkte und Open Access verläuft hierbei parallel zu den noch weiterbestehenden klassischen Publikationswegen. D.h. mitunter wird hier ein doppelter oder größerer Aufwand seitens der Verlage betrieben – ohne, dass in jedem Fall die Umsätze nennenswert steigen. Das Angebot an medialen Formen für die Nutzer wird größer und attraktiver, die Zielgruppen je nach Thema nicht unbedingt. Die Herausforderung besteht darin, wirtschaftlich sinnvolle und passende Angebote für Autoren und Herausgeber zu entwickeln und auszubauen. Dabei zeigt sich, dass Open Access nicht unbedingt ein »Sparmodell« ist. Die Finanzierung des Aufwandes verschiebt sich stärker von den Nutzern zu den Produzenten der Information.

Der W. Bertelsmann Verlag betreibt seit einigen Jahren konsequent eine Digitalisierungsstrategie. Alle Neuerscheinungen und die Backlist sind seit 2007 als E-Book verfügbar. Seit 2011 bieten wir mit wbv-journals.de alle Zeitschrifteninhalte digital an. Abonnenten der Printausgaben erhalten einen Zugang zum digitalen Archiv der Zeitschriften. Ende 2012 startete mit wbv-open-access.de der freie Zugang zu digitalen Publikationen mit dem Zusatzangebot »Print as a Service« für die meisten Produkte. Ab 2013 bieten wir ausgewählte Publikationen in der Kombination aus »Print & E-Book« an: der Käufer erwirbt ein gedrucktes Exemplar und kann sich dann ein E-Book im Format seiner Wahl für den eigenen Bedarf downloaden.

Im Feld der Erziehungswissenschaften wird es unserer Ansicht nach in den nächsten Jahren darum gehen, sinnvolle Kombinationen von Print und Digital anzubieten, weil die Bedeutung des gedruckten Werkes nach wie vor sehr groß ist. In fünf Jahren mag sich die Situation vielleicht schon etwas anders darstellen. Wir investieren deshalb massiv in Infrastruktur, Prozesse und die Weiterbildung der Mitarbeiter. So sind wir gut vorbereitet auf den Wandel, der letztlich bedeutet: Die digitale Publikation steht im Fokus und Printpublikationen werden zunehmend ein nachgelagerter Service.

Brandt: Eine zentrale Hypothese ist, dass offen im Netz zugängliche Titel eine höhere Wahrnehmung und Zitationswahrscheinlichkeit erzeugen. Jedenfalls legen das die Beobachtungen zum Rechercheverhalten nahe. Für die Erwachsenenbildungsforschung untersuchen wir dies gerade in Zusammenarbeit mit der TU Chemnitz. Die nächste Herausforderung nach den Open-Access-Publikationen sind die offen zugänglichen Forschungsdaten. Hier wird gerade von Leibniz-Instituten erwartet, Innovationen anzustoßen. Grundsätzlich hat Open Access großen Rückhalt in der deutschen und internationalen Forschungsförderung. Alle in der Allianz-Initiative zusammengeschlossenen Wissenschaftsorganisationen haben sich dem Gedanken verschrieben. Da wird es keinen Weg zurück geben.

www.wbv-open-access.de

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