DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Stichwort »Erwachsenenbuilding«

Peter Brandt

Die Wortschöpfung »Erwachsenenbuilding« bringt Bewegung in die Erwachsenenbildung – wenigstens spielerisch auf der Wortebene. Kurzum: In diesem Heft geht es um Brückenschläge zwischen Erwachsenenbildung und Sport. Was hat beides miteinander zu tun?

Erstens: Im Bereich des Sports finden Erwachsenen- und Weiterbildung statt. Hierzu zählen das relativ geschlossene verbandliche Ausbildungssystem für Sportdisziplinen und Sportberufe (Trainerausbildung) ebenso wie die Arbeit der Sportbildungswerke, die (öffentlich förderfähige) Erwachsenenbildung anbieten. Das Bildungswerk des Landessportbundes Rheinland-Pfalz etwa meldete zuletzt, dass im Jahr 2003 Vereine und Verbände des Landes 52.951 Weiterbildungsstunden absolviert haben – vier Prozent mehr als im Vorjahr. Aber auch überall da, wo Sport getrieben wird, laufen Bildungsprozesse ab. Wir können also Bildung im Sport von Bildung durch Sport unterscheiden. Die ehrenamtliche Mitarbeit im Vereinsvorstand oder die sprachliche Betätigung im Internetforum auf der Fanseite des Lieblingsclubs sind nur zwei Beispiele informeller Lernprozesse. Eine i. e. S. Bildungs(politische)-Konzeption hat der Deutsche Sportbund entwickelt. Dort heißt es (vgl. Dokument in diesem Heft S. 42f.):

»Bewegung, Spiel und Sport zeichnen sich dadurch aus, dass Erfahrungen mit dem eigenen Körper und der respektvolle und verantwortungsbewusste Umgang mit anderen Sporttreibenden wichtige Bestandteile von Entwicklung und Bildung sind. Bildung im Sport bezieht sich auf die Förderung des sportlichen Bewegungshandelns und die Reflexion dieser Handlungssituationen als grundlegende Voraussetzungen für individuelle und soziale Erfahrungen und Entwicklungen. Die Ganzheitlichkeit von körperlicher, sozialer und geistiger Bildung wird hier besonders deutlich. Bildung durch Sport kann dazu beitragen, Ziele zu erreichen, die auch außerhalb des Sports von Bedeutung sind. Dazu gehört vor allem der Erwerb von Schlüsselqualifikationen, wie Teamfähigkeit, Zielstrebigkeit, Planungsfähigkeit, Respekt, Kooperation, Verantwortung, Fairness, Leistungsstreben usw. Allerdings ist die erfolgreiche Übertragung dieser im Sport erworbenen Fähigkeiten auf Bereiche außerhalb des Sports weder selbstverständlich noch erfolgt sie automatisch. ...

Bewegung, Spiel und Sport stellen in diesem Sinn günstige Voraussetzungen für die Verwirklichung von Bildungsprozessen dar und sind ein unverzichtbares Lern- und Erfahrungsfeld. Das allen sportlichen Aktivitäten immanente konkrete Handeln mit unmittelbaren Rückmeldungen über Erfolg und Misserfolg macht diesen Lebensbereich zu einem wichtigen Bildungsmedium.«

Der erzieherischen Dimension der Bildung durch Sport hat sich im laufenden Jahr die EU verschrieben: Rat und Parlament haben das Jahr 2004 zum »Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport« (EJES) ausgerufen. Mit EJES, das unter dem Motto »Beweg Dich – für Deine Zukunft« steht, will die EU, und mit ihr hierzulande das BMBF als Träger der politischen Verantwortung, auf die Bildungsleistung des Sports aufmerksam machen und für die Möglichkeiten von Kooperationen zwischen Bildungseinrichtungen und Sportorganisationen sensibilisieren. Das lässt sie sich 12,1 Millionen Euro kosten.

Zweitens: Innerhalb der organisierten Erwachsenenbildung findet Sport statt. Bewegungsangebote werden stark nachgefragt. Im Bereich der Volkshochschulen ressortieren diese in der Gesundheitsbildung, die wiederum ein Kern der VHS-Arbeit ist: »Gesundheit« ist (vgl. Pehl/Reitz 2003, S. 23) unter den Programmbereichen derjenige mit dem höchsten Belegungsanteil (29,3 %), dem zweithöchsten Kursanteil (26,7 %) und dem dritthöchsten Anteil an Unterrichtsstunden (15,8 %). Aber auch außerhalb der Gesundheitsbildung wird sich gelegentlich bewegt. Gleichwohl: Körperorientierte Bildungskonzepte haben es immer noch schwer, ernst genommen und nicht in betuliche Wohlfühlecken gesteckt zu werden.

Das vorliegende Heft erschließt weitere Themen in der Schnittfläche von Weiterbildung und Sport: Die durchaus kontrovers zu diskutierende Einbeziehung von Fitness und Wellness in Konzeptionen lebenslangen Lernens, die Profilierung des Lernens als körperlichen Vorgang sowie mit dem »Trainer« ein scheinbar verbindendes Element auf der Ebene der Professionen.

Schließlich kann »Erwachsenenbuilding« weiterführend auch gelesen werden als Chiffre für den Bildungsprozess als Ganzen: Bildung baut den Menschen zu einem Erwachsenen auf/aus. Dies individuell lebenslang aktiv als »Erwachsenenbuilding« zu betreiben hieße, die zeitgenössische Tendenz zur Selbstfabrikation des Menschen als Verantwortung für die eigene Bildungsbiografie auszulegen.

Dr. Peter Brandt ist verantwortlicher Redakteur der DIE Zeitschrift

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Oktober 2004
Peter Brandt , Stichwort: Erwachsenenbuilding
URL: http://www.diezeitschrift.de/42004/brandt04_03.htm
Dokument aus dem Internetservice Texte online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung
http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp