DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Elemente von Markt- und Preissteuerung

Finanzierung von Weiterbildung aus europäischer Sicht

Hans-J. Bodenhöfer
Dr. Hans-J. Bodenhöfer ist Professor am Institut für Wirtschaftswissenschaften, Abteilung Volkswirtschaftstheorie und -politik der Universität Klagenfurt.

 

Welches System der Weiterbildungsfinanzierung ist geeignet, die Ziele von Weiterbildungspolitik zu unterstützen, die Teilnahme an Weiterbildung zu fördern und Hemmnisse auszuräumen? – Hans-J. Bodenhöfer zeigt unterschiedliche Typen der Finanzierung von Weiterbildung in Europa auf und konstatiert als Entwicklungstrend eine wachsende Bedeutung von Markt- und Preissteuerung und von Wettbewerb.

Abstract:
The 4th sector of education is dominated and directed by market economical criteria while government organized adult education and lifelong learning systems for active labour market policy only have an additional function. The author discusses alternatives by intervention of education policy and isolates three types of financing systems in countries of the European Union: the market regime, the bureaucratical regime, and the mixed regime. Generally he realizes a trend towards a growing relevance of market and price control elements as well as of competition.

Ein zentrales strukturelles Problem der Arbeitsmarktentwicklung liegt darin, dass sich Struktur und Technologie der Produktion rascher verändern als das volkswirtschaftliche Humankapital. Das Jahrbuch der Europäischen Union (EU) zur Informationsgesellschaft geht davon aus, dass jährlich etwa 10 Prozent aller Arbeitsplätze verschwinden und durch andere Arbeitsplätze in wachsenden Beschäftigungsbereichen oder neuen Unternehmen ersetzt werden. Dabei weisen diese neuen Arbeitsplätze in der Regel andere, vielfach auch höhere und breitere Qualifikationsanforderungen auf als die Arbeitsplätze, die dem Strukturwandel zum Opfer gefallen sind. Andererseits umfasst die natürliche Erneuerung des Arbeitskräftepotenzials durch Abgänge aus bzw. Zugänge in die Erwerbstätigkeit jährlich nur zwei bis drei Prozent der Gesamtbeschäftigung. Auch wenn alle Neuzugänge über die "richtige" Qualifikation im Hinblick auf veränderte Beschäftigungsstrukturen verfügen, ist damit klar, dass der Zufluss "modern" ausgebildeter Arbeitskräfte für die Anpassung des Humankapitals völlig unzureichend ist. Daraus ergibt sich die entscheidende Funktion der beruflichen Weiterbildung für die beschäftigten und für die von der Dynamik des Arbeitsmarktes betroffenen Arbeitskräfte, wenn sich nicht ein wachsender Bestand an strukturell begründeter Arbeitslosigkeit akkumulieren soll.

Finanzierungsalternativen

So wenig über die notwendigen Ausbildungsziele und die konkreten Inhalte der beruflichen Weiterbildung bekannt ist, so wenig sind auch der tatsächliche Umfang, die Angebots- und Nachfragestrukturen oder die Kosten des gesamten Bereichs der Weiterbildung statistisch erfasst. Überwiegend ist der "quartäre Bildungssektor" marktwirtschaftlich verfasst und gesteuert: Es dominieren die Weiterbildungsaktivitäten von Unternehmen und anderen privaten Anbietern, während dem Weiterbildungsangebot im staatlich organisierten Bildungssystem bzw. im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nur eine ergänzende Funktion zukommt. Die Aufgabe einer staatlichen Weiterbildungspolitik richtet sich entsprechend vor allem auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen eines Marktes der Weiterbildung: Förderung von Information, Beratung und Markttransparenz, Sicherung von Qualitätsstandards und geeignete Anreizstrukturen. Nicht zuletzt bedeutet dies die Schaffung eines Systems der Weiterbildungsfinanzierung, das die Ziele der Weiterbildungspolitik unterstützt, die Weiterbildungsteilnahme fördert bzw. Hemmnisse ausräumt – kurz: der allokativen Effizienz dient und verteilungsgerecht ist.

Die marktmäßige Steuerung des Weiterbildungsbereichs kann nicht zu allokativer Effizienz führen, wenn Gründe für ein "Marktversagen" vorliegen, d.h. ein Problem unvollkommener Information, extern anfallender Erträge von Bildung, mangelnder individueller Voraussicht oder ein Versagen des Kapitalmarktes für die Finanzierung von Humankapital eine Rolle spielen. Zudem führt der Marktprozess bei ungleicher Anfangsausstattung mit Humankapital zu Ergebnissen, die Vorstellungen von Verteilungsgerechtigkeit widersprechen. In jedem Fall ist so ein korrigierender und kompensierender Eingriff der Weiterbildungspolitik theoretisch gerechtfertigt.

Setzen diese Eingriffe bei der Finanzierung der Weiterbildung an, so kann zunächst die private Nachfrage nach Weiterbildung, die direkte (z.B. Kursgebühren) und indirekte Kosten (entgangenes Einkommen) zu tragen hat, finanziell entlastet werden – z.B. durch steuerliche Vergünstigungen, Zuschüsse und Einkommensersatzleistungen (Bildungsgutscheine) aus dem allgemeinen Steueraufkommen. Alternativ kann die Subventionierung von Weiterbildung über die Entlastung der Angebotsseite (Unternehmen und andere private Anbieter) erfolgen, indem wiederum steuerliche Entlastungen und Zuschüsse gewährt werden (z.B. bei Bildungsurlaub mit Lohnfortzahlung), die die Kosten von Weiterbildung senken. Durch gesetzliche Regelung oder Tarifvereinbarung sind institutionelle Lösungen möglich, die in Form einer Fondsfinanzierung ein breites Beitragsaufkommen sichern und gezielt Weiterbildungsaktivitäten fordern – möglicherweise verstärkt durch Finanzierungsbeiträge aus dem Steueraufkommen bzw. durch Steuervergünstigungen. Schließlich kann ein Weiterbildungsangebot staatlicher Bildungseinrichtungen eine Rolle spielen, das kostenfrei oder zu nominellen Gebühren angeboten wird, möglicherweise ergänzt durch Einkommensersatzleistungen für die Weiterbildungsteilnehmenden.

Gegenüber den "reinen" Formen der Weiterbildungsfinanzierung sind in der Realität regelmäßig Mischformen zu beobachten, die für verschiedene Funktionen von Weiterbildung (z.B. aktive Arbeitsmarktpolitik, unternehmensinterne Fortbildung, Managementtraining) unterschiedlich ausgestaltet sind – nicht zuletzt im Hinblick auf die anteilige staatliche Subventionierung. Zudem können gesetzliche und tarifvertragliche Gebote und Auflagen eine Rolle spielen (z.B. Bildungsurlaub).

Europäische Beispiele der Weiterbildungsfinanzierung

Im internationalen Vergleich der Organisation und der Finanzierung von Weiterbildungssystemen lassen sich drei Typen unterscheiden: ein Markt-Regime, ein bürokratisches Regime und gemischte Regime. Ein Markt-Regime ist durch dezentrale Organisation, individuelle Entscheidungen und Finanzierungsbeiträge sowie die Rolle von Preisen charakterisiert, wobei staatliche Subventionierung ein hohes Gewicht erreichen kann, jedoch nicht mit Steuerungszielen verbunden ist. Im bürokratischen System wird die Ressourcenallokation wesentlich über Finanzierungsinstrumente gesteuert, die einerseits steuerähnliche Beiträge der Unternehmen bzw. der Beschäftigten und andererseits Finanzierungszuschüsse zu Weiterbildungsaktivitäten umfassen. Im gemischten System spielen beide Steuerungsmechanismen eine Rolle.

Das bürokratische Regime ist in verschiedenen europäischen Ländern insbesondere in Form einer Fondsfinanzierung der beruflichen Weiterbildung institutionalisiert. So basiert das französische System zur Finanzierung von Weiterbildung auf gesetzlich verpflichtenden Abgaben von Unternehmen (je nach Betriebsgröße 0,25 – 1,5 Prozent der Lohnsumme) an einen sozialpartnerschaftlich verwalteten Fonds mit einem Netzwerk von nationalen und regionalen, zum Teil sektoralen, zum Teil branchenübergreifenden Organisationen, aus dessen Mitteln Zuschüsse zu Weiterbildungsaktivitäten geleistet werden. Weniger umfassend ist das belgische Modell des Leverage-Fonds für innovationsorientierte Berufsbildung: Ausbildungsprojekte, die mit Investitionen in neue Produkte oder innovative Verfahren in Zusammenhang stehen, werden mit Mitteln aus dem Fonds unterstützt, wobei die Einbeziehung von Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten verstärkt gefördert wird. Die Besonderheit des niederländischen Finanzierungssystems für Weiterbildungsmaßnahmen liegt in einem auf freiwilliger Basis eingerichteten kollektiven System der Finanzierung; durch "Kollektive Arbeitsübereinkünfte" der Sozialpartner wurden sogenannte 0+0-Fonds geschaffen, die über lohnbezogene Abgaben (0,1 – 0,64 Prozent) verfügen. Vielfach kritisiert werden bei diesen Lösungen eine umfangreiche Regulierung, die Komplexität des Systems und die Entwicklung bürokratischer Strukturen sowie die Benachteiligung kleinerer Unternehmen – eine Kritik, die insbesondere in Frankreich Reformbestrebungen ausgelöst hat.

Mit einem hohen Gewicht von (Weiterbildungs-)Maßnahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik stellen Länder wie Dänemark, Deutschland oder Österreich Beispiele für ein gemischtes Regime der Finanzierung von Weiterbildung dar, da demgegenüber andere Weiterbildungsaktivitäten – bei unterschiedlicher Förderungsintensität – weitgehend marktmäßig gesteuert sind. In Großbritannien, wo in der Vergangenheit Fonds zur Finanzierung von Berufsbildung und Weiterbildung eine wichtige Rolle gespielt haben, existiert nur noch der Fonds der Bauindustrie, sodass hier von einer Entwicklung zum Markt-Regime der Weiterbildungsfinanzierung gesprochen werden kann. Sofern sich insgesamt ein Entwicklungstrend von Organisations- und Finanzierungssystemen der Weiterbildung im europäischen Vergleich feststellen lässt, gewinnen die Elemente von Markt- und Preissteuerung sowie des Wettbewerbs an Bedeutung – was den Einsatz umfangreicher staatlicher Mittel zur Förderung von Weiterbildung nicht ausschließt.


Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Dezember 1999

Hans-J. Bodenhöfer, Elemente von Markt- und Preissteuerung. Online im Internet:
URL: http://www.diezeitschrift.de/12000/index.htm
Dokument aus dem Internetservice Texte online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung
http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp