DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Thema Kursleitung

Klaus Meisel

Schon seit Jahren zeichnet sich ein Trend der Veränderung der Funktion von Kursleitung in der Erwachsenenbildung ab. Schlagwortartig läßt dieser sich mit der Entwicklung von der „Belehrungspädagogik" zur „Erfahrungspädagogik" beschreiben. Die permanente Weiterbildung wird zum Normalfall. Die Bildungsinteressen individualisieren sich zunehmend. Immer mehr unterschiedliche Lernanforderungen werden in Lernarrangements integriert. Die Anteile von selbstgesteuertem Lernen nehmen dabei zu. Die technischen Innovationen ermöglichen vielfältigere Formen computerunterstützten Lernens. An Bedeutung gewinnen kompakte Lernorganisationsformen und die Vernetzung von Lernorten und Akteuren auf dem Weiterbildungsmarkt. Vermittlungskompetenz und Vermittlungsarbeit erhalten einen höheren Stellenwert gegenüber der Fachkompetenz.

Damit verbunden ist eine Ausdifferenzierung und Spezialisierung in der erwachsenenpädagogischen Praxis. Diese spiegelt sich in den unterschiedlichen Bezeichnungen für die „Lehrenden" wider: Früher wurden sie „Dozent" oder „Kursleiter" genannt, später kam dann je nach Einsatzfeld die Bezeichnung „Teamer" oder „Trainer" hinzu - und heute spricht man von „LernbegleiterInnen", „LernberaterInnen", „ModeraterInnen", „Coachs", „Facilitators", „TeletutorInnen", „Online-ModeratorInnen". Deutlich wird: Die Anforderungen haben sich aus unterschiedlichen Perspektiven verändert. Teilnehmende haben veränderte Erwartungen, die Institutionen setzen neue Anforderungen, und das Personal selbst stellt andere Ansprüche an das erwachsenenpädagogische Handeln.

Die Diskussion um ein neues Professionsverständnis der Lehrenden hat aber nicht nur Verunsicherung im Rollenverständnis bewirkt, denn das pädagogische Handeln in der Weiterbildung geht nicht in der „Moderation" auf: Fachliche und fachdidaktische Qualifikationen bleiben Voraussetzungen für das moderierende Gestalten von Lernprozessen. Daß es nie so recht gelingen wollte, eine Profession Erwachsenenbildung im engeren Sinne zu etablieren, wird in Zeiten der Veränderung und Differenzierung vielleicht zum Vorteil: So läßt sich die Professionalität pädagogischen Handelns unter Umständen leichter weiterentwickeln.

Die inhaltlichen Entwicklungen in bezug auf Rolle und Selbstverständnis der in der praktischen
Erwachsenenbildungsarbeit tätigen MitarbeiterInnen müssen aber auch im Zusammenhang mit dem sozialen Status dieser Personalgruppe gesehen werden. Ein immer größer werdender Teil arbeitet eben nicht mehr nebenberuflich. Viele KursleiterInnen sind heute „hauptberufliche Nebenberufliche", die sich mit ihrer pädagogischen Arbeit einen Großteil ihres Lebensunterhalts verdienen - unter Bedingungen, die Barbara Weisel anschaulich mit den Worten „Soziales Netz: Fehlanzeige!" beschreibt. Nun ist dies ein Thema, das in Zeiten des Kostendrucks und der Konsolidierungsmaßnahmen der öffentlichen Haushalte vielleicht nur ungern thematisiert wird. Für die Einrichtungen der Weiterbildung stellen sich aber vor dem Hintergrund der skizzierten Veränderungen verstärkt Fragen der Personalentwicklung auch für die freien MitarbeiterInnen. Denn sie sind es, die die Einrichtung gegenüber den Teilnehmenden repräsentieren, sie sind es, die die Qualität des Angebots realisieren. Für Erfolg und Mißerfolg der Institution sind letztlich sie maßgeblich verantwortlich.

Die Beiträge in diesem DIE-Heft gehen den hier beschriebenen Entwicklungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln nach. Aber ob aus Sicht eines Trainers oder Beraters in der betrieblichen Weiterbildung (Rüdiger Funk/Rainer Röpnack), einer Kursleiterin an Volkshochschulen (Karola Pruschke-Löw), von nicht-hauptberuflichen oder ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen in der Evangelischen Erwachsenenbildung (Petra Neddermeyer-Wienhöfer), aus gewerkschaftlicher Perspektive (Claus-Dieter König), aus lern- und kulturanthropologischer Sicht (Johannes Hartkemeyer) oder aus Sicht der wissenschaftlichen Begleitung von Lernprozessen in der beruflichen Bildung (Rosemarie Klein): Gemeinsam läßt sich feststellen, daß es nicht um gänzlich Neues geht, sondern daß sich in Wirklichkeit neue Anforderungen und alte Selbstverständlichkeiten mischen. Dies wird auch im DIE-Gespräch mit einer Kursteilnehmerin (Elvira Ludwig), einer Kursleiterin (Anneliese Dietzel) und dem Leiter einer regional arbeitenden Volkshochschule (Wolfgang Schönfeld) deutlich. Die historische Dimension des Themas wird von Hans Tietgens in „Rückblicke" zusammengefaßt, Aspekte der aktuellen Diskussion gibt Felicitas von Küchler im „Stichwort" wieder.