DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Anything goes?

Trainer und Berater in der betrieblichen Weiterbildung

Rüdiger Funk/Rainer Röpnack

Managementtrainings, fachübergreifende Weiterbildung, Verhaltenstrainings, Führungskräfteausbildung, Coaching - das sind nur einige der Schlagworte, mit denen ein Berufsfeld bezeichnet wird, das für immer mehr Beschäftigte in der Erwachsenenbildung attraktiv wird: TrainerIn oder BeraterIn in der betrieblichen Weiterbildung. - Anything goes! Geht wirklich alles?

 

Außenanerkennung ,Lernberater- Berufsbild`
Professionsverantwortung

Trainer sein heißt Lern- und Entwicklungsprozesse aktivieren, gestalten und auswerten. Lernen in der betrieblichen Weiterbildung wird immer mehr auch zur Persönlichkeitsentwicklung. Der Trainer begleitet diese Prozesse. Dies geschieht überwiegend in Seminaren von zwei- bis fünftägiger Dauer. Ort des Geschehens ist ein Schulungsraum im Unternehmen selbst oder eines der vielen Seminarhotels irgendwo in Deutschland. Gelegentlich verfügen die Unternehmen über eigene Schulungszentren, die wie Seminarhotels geführt werden.

Viele Trainer arbeiten als Selbständige alleine oder in einem Team. Sie bieten ihre Leistungen den Unternehmen als Externe an. Fast sämtliche Unternehmen in Deutschland, besonders aber die kleinen und mittleren, greifen auf derartige Dienstleistungen zurück. Dies tun auch die großen Konzerne. Sie verfügen darüber hinaus aber häufig auch über eigene Weiterbildungsabteilungen mit festangestellten Trainern/Weiterbildungsreferenten. Oft arbeiten diese Internen mit Externen in Projekten zusammen. Externe Trainer arbeiten meistens für ganz unterschiedliche Firmen. Sie können dafür sorgen, daß immer das aktuelle pädagogische Wissen und neue Weiterbildungstrends den Kunden zugute kommen. In der inhaltlichen Arbeit sowie in der Auftragsabwicklung unterscheiden sich Interne und Externe kaum.

Mit dem „Hinfahren-Trainieren-Wegfahren-Rechnungstellen" ist es in der betrieblichen Weiterbildung allerdings nicht getan. Besonders in einer Zeit, in der kostspielige Weiterbildungsmaßnahmen äußerst kritisch unter die Lupe genommen werden, muß sich die Arbeit sowohl von externen wie auch von internen Trainern maßgeschneidert in das Unternehmensgeschehen integrieren lassen. Ein typischer Auftragsprozeß läßt sich in fünf Phasen darstellen:

Phase 1: Absprache mit den Auftraggebern

Im Mittelpunkt stehen Fragen wie: Was sollen die TeilnehmerInnen lernen? Wozu sollen sie gerade das lernen? Was soll im Unternehmen damit erreicht bzw. welche Strategie des Unternehmens soll mit dieser Maßnahme unterstützt werden? In welche Gesamtmaßnahme des Unternehmens wird das Traininig integriert? Was muß, soll, darf sich durch diese Maßnahme verändern?

Ziel dieser Gespräche ist, daß sich Trainer und Unternehmen bzw. Abteilung gegenseitig besser kennenlernen. Dabei werden Informationen ausgetauscht und erste Bausteine für ein stabiles Vertrauensverhältnis gesammelt - wichtige Grundlagen, damit ein auf das Unternehmen und die Zielgruppe hin maßgeschneidertes Erstellen der Weiterbildungsmaßnahme möglich ist.

Dabei werden vom Trainer besonders Kenntnisse über Unternehmensstrukturen und Organisationsentwicklungsprozesse verlangt.

Phase 2: Analyse der Zielgruppe, ihres Handlungsrahmens und des betrieblichen Umfeldes

Mit der vorgesehenen Zielgruppe sind vor allem folgende Fragen zu klären: Wie sieht der Arbeitsalltag bezogen auf das anstehende Thema aus? Wo gibt es immer wieder Probleme in dieser Hinsicht? Welche Lernwünsche artikulieren die zukünftigen TeilnehmerInnen?

Die Analyse der Zielgruppe erfolgt über Einzelinterviews oder Gruppengespräche, häufig auch durch teilnehmende Beobachtung am Arbeitsplatz.

Der Trainer benötigt vor allem ein gutes Beobachtungs- und Abstraktionsvermögen sowie die Fähigkeit, sich in Situation und Probleme der Gesprächspartner einfühlen zu können.

Phase 3: Erstellen eines Konzepts, Abstimmung mit den Auftraggebern

Die Konzepterstellung hat natürlich viel mit Routine zu tun. Pädagogische und didaktische Grundkenntnisse sowie ein „gesunder Blick" für das Machbare sind aber absolut notwendig. Gilt es doch in dieser Phase, die verschiedenen, nicht immer deckungsgleichen Wünsche und Anforderungen inhaltlich und didaktisch miteinander in einen für alle Seiten akzeptierbaren Zusammenhang zu bringen. Verlangt wird daher auch ein gutes Maß an Beratungskompetenz.

Rüdiger Funk ist geschäftsführender Gesellschafter von train, Gesellschaft für Organisationsentwicklung und Weiterbildung in München und Köln; Rainer Röpnack ist Trainer und Berater bei train.

Phase 4: Durchführung des Trainings

Im Training selbst steht das praktische Üben im Vordergrund. Trainiert werden sollen Verhaltensalternativen für bekannte Situationen des Berufsalltags oder neue Verhaltensweisen für bisher noch unbekannte Herausforderungen. Methodisch kann dies über Übungen, systematisch strukturierte Fallbesprechungen, kollegiale Beratungen und sehr häufig über Rollenspiele vor der Videokamera erfolgen. Die in allen diesen Übungen gemachten Erfahrungen werden hinterfragt und mit Hilfe von theoretischen Modellen begreifbar gemacht. Für die knapp gehaltene Theorievermittlung ist der Trainer zuständig. Er unterstützt auch die Transferprozesse, die Überlegungen und Maßnahmen der TeilnehmerInnen, um das Gelernte später in die berufliche Praxis zu übertragen. Ein gutes Training ist also immer teilnehmer- und praxisorientiert. Nach neuen Tendenzen finden Trainings immer stärker on the Job oder near the Job statt, also zeitgleich mit dem oder ganz nah am Arbeitsprozeß.

Vom Trainer verlangt werden Fachwissen über die zu vermittelnden Inhalte, methodisches Know-how und die Fähigkeit, dieses Know-how im Lernprozeß situationsangemessen einzusetzen. Hinzu kommen psychologische Grundkenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit Gruppen.

Phase 5: Nachbereitung des Trainings für die Rückkopplung an das Unternehmen und für die eigene Weiterentwicklung

Im Anschluß an das Seminar erfolgt die Nachbereitung. In einigen - noch seltenen - Fällen geht der Trainer in das Unternehmen oder die Abteilung und hilft bei der Umsetzung des Gelernten am Arbeitsplatz. Diese Phase erfolgreich zu gestalten und dabei sowohl die Vorgesetzten als auch das nähere Umfeld der Teilnehmer zur Unterstützung zu gewinnen wird unserer Erfahrung nach in Zukunft immer stärker als Forderung an die betriebliche Weiterbildung herangetragen werden. In diesen Zusammenhang gehören auch Forderungen nach der Entwicklung ganzer Zielgruppen (z.B. ganze Abteilungen), nach Veränderungen von Anforderungsprofilen für bestimmte Stellen sowie nach organisatorischen Veränderungen. Bei derartig großen Projekten kann auch eine ausführliche Evaluation notwendig sein. Aus Trainern werden Berater (s.u.).

Inhalte, Ziele, Berufsbild

In der betrieblichen Weiterbildung kann man generell unterscheiden zwischen den fachlichen (z.B. Einweisung in die CNC-Technik, Unterweisung in neuen Rechtsvorschriften) und den fachübergrei
fenden Maßnahmen. Bei diesen kann es um alles gehen, was aus der Sicht eines Unternehmens zur Mitarbeiterqualifizierung beiträgt: Verkaufs- und Präsentationstrainings für die Vertriebsmannschaft, Kommunikations- und Führungstrainings für Führungskräfte, Umgang mit alkoholabhängigen oder -gefährdeten Mitarbeitern, Umgang mit Konflikten am Arbeitsplatz, Messetrainings, persönliche Arbeitsorganisation für Sekretärinnen, Umgang mit Presse bei Unfällen, Lean Management und Total Quality, Teamentwicklung und Teamlernen, Moderation von Gruppen und Persönlichkeitsentwicklung von Selbständigen.

Die wichtigsten Ziele solcher Weiterbildungsmaßnahmen lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen:

- Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollen ein fundiertes Know-how und mehr Sicherheit in bekannten oder neuen Handlungssituationen bekommen.

- Bestimmte Unternehmensstrategien sollen durch die Qualifizierung und darüber hinaus durch die Motivierung der teilnehmenden Betriebsangehörigen zielgerichtet unterstützt werden.

Auch wenn sich Arbeitsabläufe und Inhalte in der betrieblichen Weiterbildung exakt beschreiben lassen, es gibt bisher kein fest umrissenes Berufsbild für die Tätigkeit als Trainer in diesem Bereich. Die Werdegänge der freien oder in einem Unternehmen fest angestellten Weiterbildner spiegeln dies wider: Die meisten von ihnen haben studiert, häufig Sozial- oder Geisteswissenschaften. Viele sind Psychologen und Pädagogen, aber auch Theologen, Germanisten, Anglisten, gelegentlich sogar Betriebswirte und Ingenieure finden sich, seltener dagegen Juristen. Doch auch Nicht-Studierte haben in der Praxis Erfolg. Trainer mit kaufmännischer Ausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung sind nicht selten. Das Thema „Berufserfahrung" wird jedoch kontrovers diskutiert. Viele Trainer waren nach ihrem Studium in der Wirtschaft tätig, sei es im Vertrieb, in der Verwaltung oder in Führungspositionen. Und sie halten eine Berufserfahrung nach dem Studium für eine absolute Notwendigkeit, um als Trainer und Berater gute Arbeit leisten zu können. Andere dagegen haben gleich nach dem Studium eine Trainertätigkeit aufgenommen, vorbereitet durch erfahrene Kollegen, durch Fachliteratur oder durch den Besuch einiger der zahlreich angebotenen Train-the-Trainer-Seminare. Dort herrscht gelegentlich die Meinung vor, daß es nicht auf Berufserfahrung ankomme, um mit Menschen in einem Unternehmen erfolgreich Weiterbildung zu betreiben.

Alle, ob mit oder ohne Studium, mit oder ohne Berufserfahrung, vertreten jedoch die Ansicht, daß sich professionelle Trainer permanent weiterbilden. Das geschieht häufig mit einer psychologischen Zusatzausbildung wie der Themenzentrierten Interaktion nach Ruth Cohn, der Transaktionsanalyse nach Eric Berne, des klientenzentrierten Beratungsgesprächs nach Carl Rogers und neuerdings auch der systemischen Beratung oder der Suggestopädie. Derartige Aus- und Weiterbildungen erstrecken sich in der Regel über Jahre und können durch den Besuch von Workshops, Seminaren, Arbeitsgruppen etc. absolviert werden. Und sie kosten mehrere tausend Mark, schon deshalb werden sie überwiegend berufsbegleitend durchgeführt. Daß diese Zusatzausbildungen allesamt starke persönlichkeitsbildende Anteile mit Selbsterfahrung haben, ist ein weiterer Grund für ihre lange Dauer. Selbsterfahrung sowie Erfahrung in und mit gruppendynamischen Prozessen sind unseres Erachtens jedoch unabdingbar in einem Beruf, in dem häufig auch intensive und sehr persönliche Erfahrungen mit Menschen und Gruppen gemacht werden.

Permanente Weiterbildung

Zur permanenten Weiterbildung gehört aber auch, daß Trainer sich gegenseitig in ihren Seminaren besuchen, um sich wechselseitig Rückmeldungen zu geben. Das geht so weit, daß sich Trainer für bestimmte Situationen (z.B. Konfliktbearbeitung im Training, Umgang mit Teilnehmerstörungen) professionelle Hilfe in Form von Supervision holen.

Schließlich gehören zu Weiterbildung auch die Lektüre der neuesten Literatur und - im Zeichen der Globalisierung - der Besuch internationaler Kongresse wie etwa der jährlichen Konferenz der „American Society for Training and Development", bei der sich 1997 10.000 WeiterbildnerInnen und BeraterInnen über Aspekte der betrieblichen Qualifizierung ausgetauscht haben.

Das liebe Geld

Tagessätze von SpitzentrainerInnen zwischen 5.000 und 10.000 DM pro Trainingstag - das klingt nach schnellverdientem Reichtum. Aber auch hier sieht der normale Alltag etwas bescheidener aus: Die Tagessätze für Einsteiger liegen in der Regel unter 1.000 DM. Zwischen 2.000 DM und 3.000 DM können erfahrene und auf dem Markt etablierte freiberufliche Trainer pro Tag verlangen. Nun besteht das Jahr aber nicht nur aus Trainingstagen. Hinzu kommen Vorbereitungs- und Nachbereitungstage, die eigene Weiterbildung und der notwendige Erholungsurlaub sowie die mühsame Akquisition von Aufträgen. Mehr als 100 Tage sollte
ein Trainer auf keinen Fall unterrichten, um sich nicht selbst völlig „auszupowern". Diese Zahl entspricht unserer Praxis, manche unserer KollegInnen empfehlen als Obergrenze sogar nur 50 bis 80 Tage.

Vom Trainer zum Berater

Einen ausschließlich auf die Trainingstätigkeit konzentrierten Menschen wird es zwar auch in Zukunft geben, er wird aber seltener zu finden sein als heute. Denn auch dieses Berufsfeld verändert sich. Es sind dabei vor allem die Anforderungen der Unternehmen, die eine Weiterentwicklung der reinen Trainingstätigkeit in Richtung auf Beratung notwendig machen.

Viele Unternehmen suchen nicht mehr ausschließlich das fertige Seminar für ihre MitarbeiterInnen, sondern Hilfe bei der Lösung vielfältiger Probleme im Bereich „Human Resources". Ein Stichwort dabei lautet „Improving". Bei diesem Ansatz geht es um Leistungsverbesserung bei MitarbeiterInnen, wobei auch auf die Prozesse und Organisationsstrukturen des Umfeldes des einzelnen geblickt wird.

Die „wirkliche" Lösung derartiger Probleme - z.B. Konflikte zwischen Produktionsmeistern und Ingenieuren - liegt nicht immer nur im Anbieten von Weiterbildungsseminaren („Wir schicken die Ingenieure auf ein Führungstraining, und dann klappt das schon."), sondern möglicherweise im Bereich der Personalentwicklung (z.B. gemeinsame Workshops zur Darstellung wechselseitiger Interessen und anschließende Reflexion im Sinne des Projektlernens) oder sogar in der Organisationsentwicklung und Gestaltung von innerbetrieblichen Kommunikations- oder Entscheidungsstrukturen (z.B. Miteinbeziehen von Meistern in den Entscheidungsprozeß der Ingenieure bzw. Neuaufteilung der Verantwortungsbereiche von Ingenieuren und Meistern).

Gefragt ist also eine Beratungsleistung, zu der die Analyse von Prozessen und Organisationsstrukturen, das Durchführen von Workshops mit den Kunden, das Zuarbeiten bei der Erstellung von Personalentwicklungsmaßnahmen, das Konzipieren ganzer Trainingsreihen und natürlich auch das Durchführen einzelner Trainings gehören können.

Für den Managementtrainer der Zukunft bedeutet dies, daß er sich weiterqualifizieren muß in Richtung auf Personal- und Organisationsentwicklung. Zumindest sollte er sich in diesen Bereichen etwas auskennen und darüber hinaus in einem Team mit Spezialisten für diese Schwerpunkte mitarbeiten.