DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

„Langer Atem, Freude und Optimismus"?

KursleiterInnen im Fadenkreuz von Ansprüchen

Karola Pruschke-Löw
Karola Pruschke-Löw ist Kursleiterin in Schulabschlußkursen der Volkshochschule Rüsselsheim.

KursleiterInnen stehen im Fadenkreuz von Anforderungen der Institution, von Teilnehmererwartungen und von eigenen Ansprüchen _ Karola Pruske-Löw entwirft auf dem Hintergrund von Erfahrungen als Honorarkraft an Volkshochschulen ein Kaleidoskop der unterschiedlichen Qualitäten, Qualifikationen und Kompetenzen, die heute bei Unterrichtenden vorausgesetzt werden.

 Niemand weiß es genau, und nirgendwo gibt es Richtlinien, welche Qualifikationen für die Tätigkeit als KursleiterIn an Volkshochschulen nötig sind. Natürlich gibt es auch keine Ausbildung zur „KursleiterIn", es gibt nicht einmal eine ordentliche Berufsbezeichnung. Traditionell unterrichten zwar immer auch „richtige" Lehrerinnen an Volkshochschulen _ früher nebenberuflich, heute meist als „Neue Selbständige" -, sie sind allerdings für „normale" Schulen ausgebildet, und ob sie die geeigneten Voraussetzungen für den Umgang mit erwachsenen LernerInnen mitbringen, ist nicht so sicher.

Da LehrerInnen aber dennoch an Volkshochschulen erfolgreich sind und neben ihnen andere Unterrichtende auch, die teils sogar aus gänzlich „unpädagogischen" Berufen stammen _ wie etwa DolmetscherInnen, BiologInnen, IngenieurInnen, SchreinerInnen, BetriebswirtschafterInnen _, so ist es vielleicht das Naturtalent, was in vielen schlummert und in der Unterrichtspraxis zur wahren Entfaltung kommt? Sind sie alle berufene Autodidakten, Amateure, vielleicht gar Dilettanten?

So gesehen bleibt es oft dem subjektiven Eindruck und dem glücklichen Händchen des einstellenden (Fachbereichs-)Leiters oder schlicht dem Zufall überlassen, wer an der Volkshochschule als Honorarkraft Kurse übernimmt und manchmal sogar über längere Zeit dabeibleibt.

Eine Volkshochschulleiterin aus Berlin erwartet von einem Kursleiter, einer Kursleiterin als persönliche Qualität vor allem „Langen Atem, Freude und Optimismus"1. Hat sie recht?

Die Fluktuation des Lehrpersonals an den Volkshochschulen ist sehr hoch, das hat selbstverständlich unterschiedlichste Gründe. Aber es ist auch das Scheitern in der Praxis und die Entdeckung, für den Unterricht nicht geeignet zu sein, zwar über die fachlichen Qualifikationen zu verfügen, aber mit den TeilnehmerInnen nicht zurechtzukommen, oder _ im Gegenteil _ mit Menschen umgehen zu können, aber doch fachlich überfordert zu sein, was einige dazu bringt, sich woanders umzuschauen. Nur: Diese Gründe werden verständlicherweise verschwiegen. Was zeichnet nun jene aus, die dabeibleiben und oft über lange Jahre hinweg zur Zufriedenheit aller arbeiten? Über welche besonderen Qualitäten und Qualifikationen verfügen sie? Welchen Anforderungen haben sie sich überhaupt zu stellen?

Da ich selbst seit vielen Jahren als Honorarkraft in verschiedenen Bereichen an einer mittelgroßen Volkshochschule beschäftigt war und bin, immer wieder bei KollegInnen an deren Kursen teilnehme und durch die Arbeit in der Kursleitungsvertretung viele Gespräche mit KollegInnen führe, möchte ich aus meinen Erfahrungen heraus versuchen, ein Anforderungsprofil zu entwerfen, wie es sich heute den Unterrichtenden darstellt. Selbstverständlich kann und will ich keinen Katalog vorlegen, was man/frau als VHS-KursleiterIn alles können, wissen und haben muß, um „richtig gut" (bei schlechter Bezahlung!) unterrichten zu können.

Grob skizziert, stehen Unterrichtende im Fadenkreuz der Anforderungen von Institution, Teilnehmerinteressen und eigenen Ansprüchen, die, was das Unterrichtsgeschehen betrifft, oft sehr hoch, und was die finanzielle Absicherung betrifft, meist sehr niedrig sind.

Beginnen wir mit einer Institution, die spätestens seit Anfang der 80er Jahre einem steten Wandel unterzogen ist, sowohl was Zielsetzung und Programmatik als auch was die Organisationsstrukturen betrifft. Heute ist die VHS eine Weiterbildungseinrichtung unter vielen anderen, entsprechend muß sie sich einem Konkurrenzdruck stellen, den sie oft nur durch vergleichsweise niedrige Gebühren und damit durch Gewinnung breiterer Bevölkerungsschichten (noch) bestehen kann. Dieser Vorteil steht und fällt jedoch mit der politischen wie finanziellen Unterstützung durch die sogenannte Öffentliche Hand, sprich die kommunalen Träger und das Land. Die VHS können also ihrem öffentlichen Bildungsauftrag nur nachkommen, solange die Zuschüsse fließen und Erwachsenenbildung nicht weiter erodiert.

Da dies jedoch in Zeiten leerer öffentlicher Kassen immer weniger gewährleistet zu sein scheint, werfen viele VHS bereits Rettungsanker aus und bemühen sich darum, andere, gewinnversprechendere „Kundenkreise" zu gewinnen, um weniger lukrative (wie z.B. Politische Bildung) oder besonders kostenintensive Kurse (z.B. Schulabschlußkurse) erhalten zu können. Es liegt auf der Hand, daß eine solche Veränderung der Organisation auch veränderte Anforderungen an die Unterrichtenden nach sich zieht.

VHS sehen sich zeitgemäß als Dienstleistungsunternehmen, die Schwerpunkte setzen und ein werbewirksames „Profil" entwickeln müssen. Wuchern können sie jedoch nur mit einem attraktiven Kursprogramm. Die schönsten Hochglanzseiten nützen nichts, wenn die Qualität der „Ware" Unterricht nicht stimmt. Programme müssen „benutzerfreundlich" gestaltet sein, z.B. so, daß reibungslose Kursübergänge garantiert sind.

Erforderlich sind dazu u.a. eine umfassende Beratung, Absprachen der Unterrichtenden über die Verwendung von Lehrmitteln und -inhalten, zeitliche Abstimmung des Kursprogramms. Das bedeutet eine viel stärkere Bindung der Unterrichtenden an ein gestaltetes Kursprogramm und Einbindung in die Abläufe des VHS-Betriebes. Auch inhaltlich muß das Konzept mitgetragen werden: Es soll sich so etwas wie „corporate identity" entwickeln, denn im Endeffekt ist es der/die KursleiterIn, durch die die TeilnehmerInnen VHS kennen- und hoffentlich schätzenlernen.

Neben hervorragenden fachlichen Kenntnissen _ inzwischen werden von Bewerbern fast ausschließlich akademische Abschlüsse verlangt _ müssen KursleiterInnen Einblick in betriebsinterne Abläufe und einen gewissen Überblick über das Gesamtprogramm haben, um beratend tätig sein zu können. Sie müssen über erwachsenengerechte Methodik, neuere didaktische Konzepte und Curricula (sofern sie nicht selbst welche entwickeln) sowie über Evaluationstechniken verfügen.

Will die VHS konkurrenzfähig bleiben, dann müssen ihre Angebote den Anforderungen von KursteilnehmerInnen standhalten, d.h. im EDV-Bereich etwa die Arbeit mit neuesten Computer-Programmen ermöglichen, im Sprachen-Bereich zu entsprechenden Abschlüssen führen. Bei Kursen, die aus sogenannten Drittmitteln finanziert werden, ist der Druck oft noch um ein Vielfaches höher, denn hier ist die Mittelvergabe meist direkt mit dem meßbaren Erfolg (z.B. geringe Abbrecherquote, gute Prüfungsergebnisse) verknüpft.

VHS sind heute mehr denn je auf ein professionelles Handeln ihrer KursleiterInnen angewiesen, da diese inzwischen eine ganze Reihe von Aufgaben übernehmen müssen, die früher zum klassischen Aufgabenkatalog der hauptberuflichen pädagogischen MitarbeiterInnen (HPM) gehörten _ so
auch die Erarbeitung inhaltlicher und pädagogischer Konzeptionen, die Erstellung von Lernzielkatalogen und Stoffplänen, die Auswahl von Unterrichtsmaterialien und von geeigneten Lehr- und Lernverfahren, einschließlich Planung und Medieneinsatz, Koordination im KollegInnenteam, Beratung von TeilnehmerInnen.

Das heißt gewöhnlich nicht, daß die HPM arbeitslos geworden sind. Vielmehr haben sich auch deren Aufgabenfelder verändert, sie übernehmen mehr und mehr Managementfunktion. Ein Ergebnis dieser Veränderungen ist die paradoxe Situation, daß einerseits selbständiges Planen und Agieren in größeren Zusammenhängen als eine wichtige Grundkompetenz eingefordert wird, was dem KursleiterInnentyp „Neue Selbständige" entspricht, andererseits aber auch die Einbindung in die Institution sehr viel stärker geworden ist, was wiederum mehr auf ein weisungsgebundenes abhängiges Beschäftigungsverhältnis schließen läßt.

Überdeutlich wird dies an der Situation der in den Schulabschlußkursen beschäftigten KursleiterInnen, deren Tätigkeit sich nur noch ganz geringfügig von dem Arbeitsablauf an einer „normalen" Schule unterscheidet. Bedauerlicherweise haben Arbeitsgerichte bis heute jedoch nicht (an-)erkannt, daß auch andere Fachbereiche oft gar nicht mehr viel anders funktionieren.

Daher sieht die Wirklichkeit für viele hauptberufliche „Nebenberufler" traurig aus. Arabin bemerkt treffend in seiner Analyse zur Arbeitssituation der Unterrichtenden an hessischen Volkshochschulen, daß „von ihnen erwartet (wird), daß sie wie Professionelle arbeiten, ohne deren beruflichen und damit sozialen Status zu besitzen".

Das ist eine Beobachtung, die mit der Erkenntnis korrespondiert, daß „Erwachsenenbildung nicht mehr nur von Nebenberuflichen gestaltet werden (könne)", und ich meine: schon lange nicht mehr wird.2

Für KursleiterInnen ist es schlichtweg nicht möglich, sich den Forderungen der Einrichtung, sprich den Vorstellungen von FachbereichsleiterInnen, zu entziehen, die ihrerseits auf neue Entwicklungen auf dem Weiterbildungsmarkt reagieren müssen. Was soll man tun, wenn Anstöße zur Innovation, z.B. verstärkt Wochenendkurse mit neuen Lehrmethoden _ etwa in Suggestopädie _ anzubieten, abgelehnt werden? Passen KursleiterInnen sich nicht an, müssen sie damit rechnen, ihre Arbeit loszuwerden.

In vielen Fällen ist es aber so, daß professionell arbeitende KursleiterInnen austesten, inwieweit eigene konzeptionelle Vorstellungen und neu erworbene Kenntnisse in die Praxis der VHS eingebracht werden können, und dabei meistens feststellen, daß solche Anregungen dankbar aufgenommen werden, erschließen sie doch oft neue Teilnehmerkreise. Daß sich das dabei entwickelte höhere Selbstbewußtsein von KursleiterInnen manchmal mit dem Selbstverständnis ambitionierter FachbereichsleiterInnen reibt, ist eine Erfahrung, die man allerdings dabei auch machen kann!

Für die Unterrichtenden bedeutet Veränderung natürlich schlicht auch hinzukommende Mehrarbeit, untentgeltlich natürlich, denn Fortbildung wird nicht als Arbeitszeit bezahlt und Werkverträge für konzeptionelle Arbeit kommen auch selten zustande. So fühlen sich KursleiterInnen oftmals zerrissen zwischen dem, was sie wollen, und dem, was letztlich von ihnen gefordert wird, nämlich einerseits ein außerordentlich hohes Maß an Einsatz und Kreativität zu erbringen, was andererseits aber gerade als Luxus erscheint. Denn die geringe Honorierung der Arbeit zwingt dazu, zur Existenzsicherung immer mehr Unterrichtsstunden zu übernehmen, was weder der Qualität des Unterrichts zuträglich ist noch dem Marktwert der KursleiterInnen.

Eine Tätigkeit in den veränderten Strukturen der Volkshochschule erfordert zudem mehr Übernahme an Verwaltungsarbeit. Davon sind zwar vor allem die Verwaltungskräfte betroffen, aber ihnen muß zugearbeitet werden. Kursabrechnungen, Informationen über die Teilnahmeentwicklung, das Führen von Klassenbüchern, Weitergabe von VHS-Informationen, Teilnahmebestätigungen usw. an die TeilnehmerInnen, Kursevaluation als Qualitätskontrolle _ damit sind KursleiterInnen ebenfalls beschäftigt. Darüber hinaus übernehmen sie oft freiwillig _ weil direkte Wege meist die besseren sind! _ Beratung über das Kursangebot insgesamt, Koordination mit anderen Einrichtungen (Beratungsstellen, Arbeitsamt, Schulen), den Briefverkehr und die nötigen Telefonanrufe eingeschlossen.

Warum läßt ein/e KursleiterIn sich auf das alles ein? Nicht nur, weil er/sie beliebt und erfolgreich sein und weiter im Programm bleiben will und weil die Abstimmung über den Erfolg von Kursen ja angeblich über die Füße erfolgt. Ich glaube eher, es liegt daran, daß die nötige Motivation zur Weiterarbeit unter relativ schwierigen Umständen bei vielen gerade über den Umgang mit den Teilnehmergruppen gelingt, so daß KursleiterInnen gerne bereit sind, hier noch stärker Zeit und Engagement zu investieren. Ein positives Feedback scheint alle Mühe zu lohnen.

Aber selbst hier, im Verhältnis von KursleiterInnen und TeilnehmerInnen, zeichnen sich Veränderungen ab. Es wird zunehmend schwieriger, den zum Teil äußerst heterogen zusammengesetzten Gruppen gerecht zu werden. TeilnehmerInnen aus unterschiedlichsten Schichten, mit unterschied
lichsten Voraussetzungen, Interessen und Zielsetzungen treffen zusammen. Der Trend zur Individualisierung in der Gesellschaft ist am Verhalten vieler KursteilnehmerInnen zu beobachten: Viele können und wollen sich nicht mehr auf längerfristige Lernprozesse gemeinsam mit anderen einlassen; daß man möglichst mühelos, schnell und mit viel Spaß zum Erfolg kommen kann, wird durch Werbung und Massenmedien ständig suggeriert.

Wer an der VHS Zielgruppenarbeit macht oder in Schulabschlußkursen unterrichtet, hat es oft mit arbeitslosen, bereits demotivierten Menschen zu tun, beladen mit einem Bündel persönlicher Probleme, was das Kursgeschehen schwer belasten kann.

KursleiterInnen müssen auch fähig und bereit sein, auf verändertes Lernverhalten einzugehen, was hohe soziale und kommunikative Kompetenz erfordert. Guter Wille und pädagogisches Naturtalent sind nicht mehr ausreichend, auch hier ist Professionalität gefordert. Die vorhandene hohe Fachkompetenz akademisch gebildeter KursleiterInnen muß erweitert werden um das Wissen über die Entwicklung gruppendynamischer Prozesse, über die Entfaltung von Lernprozessen und deren Störungen und über die Rolle, die die Unterrichtenden mit ihrem eigenen Verhalten dabei spielen. Selbst dieses Wissen reicht nicht aus, denn wenn man Einfluß nehmen, Unterricht planen und gestalten will, braucht man das nötige Handwerkszeug. Die richtige Wahl und Gestaltung von Lehrmitteln und Lernhilfen, Medieneinsatz, Methodenvielfalt und die gekonnte Moderation gehören ebenfalls mit ins Gepäck.

Es erstaunt eigentlich, daß bei KursleiterInnen trotz allem das „Burnout"-Syndrom kaum ein Thema zu sein scheint. Liegt es vielleicht daran, daß alle Volkshochschulen ihre KursleiterInnen nach ähnlichen Qualitätsmerkmalen auswählen wie jene VHS-Leiterin, die auf „langen Atem, Freude und Optimismus" großen Wert legte? Diese Eigenschaften scheinen tatsächlich unabdingbare Basis für die Tätigkeit einer Kursleiterin, eines Kursleiters zu sein, daneben noch eine große Portion Idealismus und ein gewisses Repertoire an Verdrängungsmechanismen.

Schaut man sich die Arbeit in den Kursen an heutigen Volkshochschulen aber genauer an, kann man gewiß sein, daß es dann doch noch ein bißchen mehr sein darf!

Anmerkungen

1 L. Arabin: Unterrichtende an hessischen Volkshochschulen. Historische und empirische Analyse zur Arbeitsituation, zur Motivation und zu Fortbildungsproblemen. Hessischer Volkshochschulverband, Frankfurt a.M. 1995, S. 642

2 ebd., S. 18