DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Standortbestimmung

Multimedia in der Weiterbildung

Joachim Hasebrook

Was bedeutet der Begriff Multimedia? In welchen Bereichen wird Multimedia in der Weiterbildung eingesetzt? ­ Joachim Hasebrook schildert Anwendungsbeispiele und eigene Untersuchungen und geht dabei auf den (oft dürftigen) Stand der Multimedia-Forschung ein.

Multimedia" ist ein schillernder Begriff, der aus technischer Sicht jede Hard- und Software umfaßt, die statische Medien, wie Text und Bild, mit dynamischen Medien, wie Video und Ton, in einer interaktiven Computeranwendung verknüpft. Dies umfaßt den um Multimedia-Elemente erweiterten Vokabeltrainer auf Diskette ebenso wie komplexe Netzwerkanwendungen in Intranet-Systemen. Aus psychologischer Perspektive ist Multimedia mit Hinsicht auf die Lernwirksamkeit am besten als eine integrierte Darstellung zu beschreiben, die verschiedene Symbolsysteme nutzt und dem Lernenden einen direkten Eingriff in Art und Ablauf der Darstellung erlaubt. Diese Beschreibung beschränkt sich nicht auf herkömmliche Computeranwendungen, sondern erfaßt auch Virtuelle Realität und computergesteuerte, intelligente" Klassenzimmer und Büros.

Anwendungsbereiche von Multimedia in der Erwachsenenbildung sind das Selbstlernen, das Lernen im Betrieb und überbetriebliche Anwendungen, wie sie beispielsweise Rundfunk und Fernsehen nun mit digitalen Fernsehdiensten anstreben. Das Selbstlernen mit Multimedia-Produkten am heimischen PC ist noch nicht sehr verbreitet; es ist aber abzusehen, daß die Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit (employability) und das Wachsen der Eigenverantwortlichkeit für die Karriere einen Zwang zu gezielterem Selbstlernen und einer größeren Investition in Form von eigenen Geldmitteln und Freizeit bedeuten wird.

Der betriebliche Einsatz von Multimedia-Programmen stößt oft noch auf Schwierigkeiten, die zum einen in Mängeln bei der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Programme begründet sind. Zum anderen fehlt es oft noch an der Akzeptanz durch Lernende und Lehrende. Dies liegt teils an einer ungenügenden Einweisung und Vorbereitung der Beteiligten, teils an nicht ausreichend angepaßten Standardprogrammen, die die betriebliche Praxis nicht vollständig abbilden.

Vorteile des Multimedia-Einsatzes sind zunächst verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten, unabhängig von zeitlichen und räumlichen Begrenzungen; Computerkonferenzen führen aufgrund einer geringen Bedeutung sozialer Faktoren, wie Status in der Firma, oft zu sachgerechteren und einmütigeren Entscheidungen, kosten aber auch mehr Zeit als persönliche Besprechungen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Email- oder Computerkonferenz ist jedoch, daß sich die Beteiligten persönlich kennen und eine geeignete Diskussionsleitung vorhanden ist. Multimedia bietet bei entsprechender Programmqualität leichte Lernvorteile, spart Lernzeit und kann die Motivation und das Selbstvertrauen der Lernenden erhöhen. Ab etwa 200 Teilnehmern kann man zudem Kostenvorteile gegenüber herkömmlichen Unterrichtsmethoden erwarten. Um Multimedia-Programme optimal nutzen zu können, werden daher zumeist Medienkombinationen aus Workshops, schriftlichen Unterlagen und Computerprogrammen verwendet.

Nachteile von Multimedia ergeben sich neben inhaltlichen und technischen Qualitätsmängeln vor allem aus den vergleichsweise langen Produktionszeiten, den hohen Produktionskosten und einer zunehmenden Modularisierung und damit Zersplitterung der Lerninhalte. Vernetzte Systeme, wie beispielsweise Intranets, versuchen diesen Nachteilen abzuhelfen, indem preisgünstige, leicht aktualisierbare Module angeboten werden, die durch sinnvolle Hilfestellungen, Lernwege und (Selbst)Tests miteinander verknüpft sind.

Selbstlernen

In zahlreichen Umfragen scheint sich zu bestätigen, daß die erwachsenen Bundesbürger der Multimedia-Technologie eher abwartend oder gar ablehnend gegenüberstehen. Vielfach wird daher die Einführung von Multimedia als Breitentechnologie vom Heranwachsen der an die PC-Benutzung gewohnten Generation der Nintendo Kids" abhängig gemacht. Tatsächlich ist der Wandel in den Computernutzungsgewohnheiten oft geringer als vermutet: Kinder spielen im Schnitt ein oder zwei Stunden Computerspiele pro Tag, sehen aber rund vier bis sechs Stunden fern (vgl. Hoelscher, 1994). Rund 10% der Kinder nutzen den Computer sehr intensiv, weitere 10% nutzen den PC so gut wie gar nicht (vgl. Hasebrook/Wagner, 1997). Die am meisten genutzten Computerprogramme sind neben Spielen Mal- und Schreibprogramme, kaum jedoch Lernprogramme.

Lernort Betrieb

Nach Schätzungen des Münchner Multimediahauses a.i.m. (Ausbildung mit interaktiven Medien) setzen derzeit fast zwei Drittel der Großunternehmen und etwa ein Drittel der mittelständischen Betriebe Multimedia in der beruflichen Qualifizierung ein. Aufgrund hoher Entwicklungskosten und Investitionen in die Informations- und Kommunikationstechnologien lohnen sich Computerlernkurse für Wirtschaftsunternehmen meist erst ab 100 oder 200 Teilnehmern. Bei größeren Teilnehmerzahlen und längerfristig verwendbaren Kursen werden computerunterstütze Lösungen attraktiv, weil die Folgekosten in Form von Trainer- und Betreuerstunden, Reise- und Unterbringungskosten vergleichsweise gering sind. Ein unmittelbarer Nutzen von Lernsoftware ergibt sich immer dann, wenn andere Maßnahmen innerhalb eines vertretbaren Zeit- und Kostenrahmens nicht mehr realisierbar sind (vgl. Landesgewerbeamt Baden-Württemberg, 1997). Der Postdienst der Deutschen Post AG verfügt beispielsweise über rund 14.000 PC-Selbstlernplätze, an denen die ca. 40.000 Schalterkräfte geschult werden (Stand 1992). Bei großen Gebührenumstellungen werden mit Hilfe des Computers alle PostdienstmitarbeiterInnen innerhalb von drei Monaten umgeschult; eine Maßnahme, die als herkömmlicher Seminarbetrieb fast zwei Jahre in Anspruch nehmen würde. Durch Wegfall von Ausfallzeiten und Lehrtätigkeiten ergaben sich für den Postdienst Einsparungen von ca. 14 Mio. DM. Solche Erfolgsmeldungen betreffen aber nicht die Mehrheit aller in Unternehmen eingesetzten Multimedia-Programme, wie eine Studie der Fraunhofer-Gesellschaft aus dem Jahr 1994 zeigte: Über ein Drittel aller befragten Unternehmen hielten die Benutzerakzeptanz der Lernprogramme für mittel" oder schlecht", und über 70% waren überzeugt, daß die Wirtschaftlichkeit der Programme mittelmäßig oder schlechter sei.

Dagegen belegen etliche Studien Kosten- und Organisationsvorteile, die sich vor allem durch den Zeitgewinn von durchschnittlich 30% gegenüber traditionellen Schulungsmethoden und durch den Wegfall von Reisekosten ergeben (vgl. Hasebrook, 1994). Der Einsatz von Multimedia wurde in 133 US-amerikanischen Schulen in den Jahren 1990 bis 1994 systematisch beobachtet und erfaßt; die Software Publishers Association faßte die Ergebnisse (1995) zusammen und stellte fest, daß sich das Selbstvertrauen der Schüler und die Zusammenarbeit von Lehrern und Schülern verbessert hatten, was sich auch positiv auf die Testergebnisse auswirkte.

Wissenschaftlich verwertbare Evaluationsergebnisse aus betrieblichen Anwendungen liegen noch nicht in genügend großer Zahl vor, um sinnvolle Metaanalysen anzustellen. Eine neuere Analyse von Kulik und Kulik (1991) stellte 248 Studien zusammen, von denen nur 94 signifikante Effekte enthielten. Die mittleren Effekte dieser positiv verlaufenen Studien waren nur gering und bezogen auf alle Studien kaum nennenswert (vgl. Hasebrook, 1995). In einer Zusammenstellung mehrerer Metaanalysen kommen Clark und Craig (1992) zu dem Schluß, daß eher die Instruktionsmethode und gezielte Änderungen der Lernumgebung als die eingesetzten Medien zu Lernerfolgen führen.

Überdies hat eine Reihe von Studien gezeigt, daß allgemein anwendbare Multimedia-Anwendungen und Instruktionsmethoden häufig nur wenig positive Lerneffekte erzielen. Von entscheidender Bedeutung ist oft, daß Multimedia-Programme an die individuellen Fähigkeiten, Erfahrungen und Ansprüche der Lernenden angepaßt werden. Daraus ergeben sich die Forderungen, zum einen den Lernenden Anwendungs- und Lernstrategien für Multimedia zu vermitteln und zum anderen die Programme selbst soweit wie möglich an die gegebenen Lernervoraussetzungen und die Bedingungen der Lernumgebung anzupassen (vgl. Glowalla/Hasebrook, 1995).

Tele-Lernen und Unternehmenskommunikation

Tele-Lernen gewinnt in räumlich verteilten Betrieben und bei Fernstudienanbietern zunehmende Bedeutung; dabei werden vor allem Computernetzwerke wie das Internet und Datenfernverbindungen per Kabel und Satellit verwendet (vgl. Günther/Mandl, 1997). Auf dem Weg zu einer transparenten, team-orientierten Kommunikationstruktur und einer stärkeren Vernetzung von interner Bildung mit vertrieblichen Zielen wird aber auch das passive" Massenmedium Fernsehen als mögliches interaktives Zielgruppenmedium entdeckt: Digitales Fernsehen erlaubt die kostengünstige und auf bestimmte Nutzergruppen begrenzte Übertragung von Fernsehbildern und Daten. Noch werden fehlende technische Standards, unüberschaubare Gebührenordnungen und oftmals hohe Übertragungskosten als deutsche bzw. europäische Standortnachteile beklagt (vgl. Bullinger/Broßman, 1997).

Bei Digitalfunk (DAB=Digital Audio Broadcasting) und interaktiven Fernsehdiensten ist Europa noch ein Entwicklungsland". Der Anteil angeschlossener Haushalte beträgt nach einer Studie des US-amerikanischen Simba-Instituts aus dem Jahr 1996 in den USA 57,3%, in Asien 14,3% und in Europa nur 1,6%. In den USA gibt es rund 150 Business-TV-Netzwerke, in Europa sind es etwa 50, und in Deutschland gibt es neben etlichen Pilotversuchen ein gutes Dutzend Unternehmen, die Business-TV einsetzen. Dazu gehören die Mercedes Benz AG, Volkswagen und Audi, die Bausparkasse Schwäbisch Hall, die Kaufhausketten Allkauf und Kaufhof sowie Niederlassungen US-amerikanischer Firmen.

Einen Pilotversuch unternahm 1997 die Bankakademie in Frankfurt/M. Anlageberatung und Versteuerung von Wertpapieren war das Thema der knapp einstündigen Sendung, an der 43 Studierende und 11 Dozenten des Bankfachwirt-Studiums in vier deutschen Städten teilnahmen. In der ersten halben Stunde wurde ein Fallbeispiel gezeigt und von Experten erläutert: Fachliche Inhalte und soziale Kompetenz in der Gesprächsführung sollten in einer Schulungsmaßnahme verbunden werden (vgl. Hasebrook/Steffens, 1997). Im zweiten Teil riefen die Studierenden im Studio an, um Fragen an die Experten zu richten. Die Fensehgruppe wurde verglichen mit 38 Studierenden aus verschiedenen deutschen Städten, die dasselbe Thema in traditionellen Seminaren erarbeiteten. Die Kontrollgruppen, die die Pilotsendung nicht verfolgt hatten, wurden instruiert, sich vorzustellen, wie ihnen wohl eine Fernsehsendung gefallen würde. Sie schätzten die Möglichkeiten des Digitalfernsehen weit skeptischer ein und vergaben im Mittel die Bewertung eher schlecht", die Pilotgruppe hingegen gut".

Im Fragebogen wurde eine Reihe von Bedingungen für die individuelle Mediennutzung angeboten: Wichtig war den Teilnehmenden der Pilotsendung, daß ein Dozent anwesend ist, Präsenzveranstaltungen nur ergänzt und nicht ersetzt werden, schriftliches Studienmaterial erhältlich ist und etwaige technische Installationen einfach durchzuführen sind. Die Bereitschaft, Studienmaterial im Internet zu suchen, ist mit 15% noch eher gering. Die Kontrollgruppe legt im Vergleich dazu besonderen Wert auf schriftliche Materialien und das Lernen in einer Arbeitsgruppe.

Die Auswertung ergab: Die Berufserfahreneren haben im Vergleich zu den weniger Erfahrenen keine besseren Testergebnisse. Die Fernsehgruppe schneidet im Test deutlich besser ab als die Kontrollgruppe. Vergleicht man die Mittelwerte des Wissenstests, so zeigt sich, daß die Teilnehmenden der Pilotsendung in allen drei Wissensbereichen besser abschneiden als die Kontrollgruppen.

In vorstrukturierten Interviewbogen wurden elf DozentInnen, die während der Pilotsendung in den Schulungsräumen anwesend waren, und fünf DozentInnen, die die Kontrollgruppen betreuten, nach ihrer Meinung über Digitalfernsehen als Lernmedium befragt. Auffällig ist, daß DozentInnen der Kontrollgruppen einen großen Gesprächs- und Nachbereitungsbedarf in den Lerngruppen vermuten, den weder die TeilnehmerInnen der Pilotsendung noch deren DozentInnen feststellten. Insgesamt läßt sich aus den Bewertungen und Bemerkungen im Fragebogen erkennen, daß die DozentInnen Business-TV weitaus skeptischer gegenüberstehen als die Studierenden. Es ist daher für den Erfolg des Einsatzes neuer Medien entscheidend, daß DozentInnen von ihrer Qualifikation her in der Lage sind, nicht nur als Fachexperte und Pädagoge im traditionellen Unterricht zu fungieren, sondern ihre Aufgabe als Berater und Mit-Lerner in einem offenen Lernprozeß zu gestalten.

Fazit: Unter dem Druck wachsenden (inter-)nationalen Wettbewerbs, schneller und schlecht prognostizierbarer Marktänderungen und ständiger Produktinnovationen werden vernetzte Multimedia-Systeme zunehmend Eingang in die Erwachsenenbildung finden.

Literatur

Bullinger, H.-J./Broßmann, M. (Hrsg.): Business Television. Beginn einer neuen Informationskultur in den Unternehmen. Stuttgart 1996
Clark, R. E./Craig, T. G.: Research and theory on multi-media learning effects. In M. Giardina (Ed.), Interactive Multi-Media learning environments. Human factors and technical considerations on design issues (pp 19-30). Heidelberg 1992
Glowalla, U./Hasebrook, J.: An evaluation model based on experimental methods applied to the design of hypermedia user interfaces. In: W. Schuler/J. Hannemann/N. A. Streitz (Eds.), Designing hypermedia user interfaces (pp. 99-116). Heidelberg 1995
Günther, W./Mandl, H. (Hrsg.): Telelearning. Aufgabe und Chancen für Bildung und Gesellschaft. Bonn: Telekom Multimedia Systemhaus 1997
Hasebrook, J.: Lernwirksamkeit von Multi-Media und Hypermedia. Fachgutachten im Auftrag des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages (TAB). Bonn 1994
Hasebrook, J.: Lernen mit Multi-Media. In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 9 (1995), S. 95-103.
Hasebrook, J./Steffens, U.: Weiterbildung per Digitalfernsehen. In: Die Bank 11(1997), S. 676-680
Hasebrook, J./Wagner, J.: Subjektive Bewertung von gedruckten und elektronischen Medien zur Berufsorientierung. In: Medienpsychologie, 9(1997)2, S. 89-104
Hoelscher, G. R.: Kind und Computer. Spielen und Lernen am PC. Springer. Heidelberg 1997
Hundt: CBT am Lernort Betrieb am Beispiel der deutschen Bundespost Postdienst. In: U. Glowalla & E. Schoop, a.a.O.
Kulik, C.-L./Kulik, J. A.: Effectiveness of computer-based instruction: An updated analysis. In Computers in Human Behavior, 7 (1991), S. 75-94
Landesgewerbeamt Baden-Württemberg: Multimedia in der beruflichen Bildung. Tips aus der Praxis für den Einsatz computerunterstützter Lernprogramme. Stuttgart 1997
Software Publishers Association: Report on the effectiveness of technology in schools, 1990-1994. Washington, DC 1995