DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Dimensionen der Person: Genom und Gehirn

Ein Bericht von den »Klausurwochen«

Tobias Kläden

»Klausurwochen« sind eine neue interdisziplinäre Veranstaltungsform zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt werden. Eine solche zweiwöchige Veranstaltung führte das Institut für Wissenschaft und Ethik (IWE) in Bonn in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) im März 2005 durch. Vierzehn Nachwuchswissenschaftler/innen auf postdoktoralem Niveau aus den Bereichen Medizin, Biologie, Philosophie, Theologie, Psychologie und Rechtswissenschaften nahmen am intensiven interdisziplinären Austausch zum Thema »Dimensionen der Person: Genom und Gehirn« teil. Das Angebot umfasste Lehreinheiten mit externen Experten, Exkursionen in einschlägige medizinisch-naturwissenschaftliche Institute, Diskussionen zu Fallstudien, eine öffentliche Abschlusspräsentation und vor allem die Fachvorträge der Teilnehmenden aus ihren jeweiligen Disziplinen.

Die fächerübergreifende Behandlung des Themas drängt sich wegen der rasanten Fortschritte in der Genom- und Gehirnforschung und besonders wegen den sich daraus ergebenden ethischen Fragestellungen auf. Einerseits erweitert sich das Spektrum hilfreicher diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen enorm: Etwa durch die prädiktive Gendiagnostik, die das Erkrankungsrisiko für bestimmte erblich beeinflusste Krankheiten ermitteln kann, durch therapeutische Eingriffe in das Genmaterial, oder durch bildgebende Verfahren in der Darstellung des Gehirns, die eine wichtige Voraussetzung für die chirurgische Beseitigung von Epilepsieherden darstellen. Andererseits stellen sich angesichts dieser Möglichkeiten auch gravierende Fragen: Welche Eingriffe und welche Beeinträchtigungen lassen sich zu welchen Zielen rechtfertigen? An welchen Stellen ist die besondere Schutzwürdigkeit der Person tangiert? Diese Fragen lassen sich nicht einfach innermedizinisch beantworten, sondern erfordern die Verständigung verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen darüber, was einen Menschen und seine besondere Würde ausmacht. Hier sind Experten vor allem aus dem ethischen und juristischen Bereich gefragt, um zu gesellschaftlich tragfähigen und verantwortbaren Lösungen zu kommen.

Darüber hinaus führen die Erkenntnisse aus Genetik und Neurowissenschaften zu fundamentalen Fragestellungen über unser Menschenbild, etwa in der Frage nach der Freiheit des Willens: Ist der Mensch durch seine genetische Ausstattung und durch die physiologischen Vorgänge in seinem Gehirn in seinen Handlungen so festgelegt, dass der Eindruck freier Entscheidungen eine bloße Illusion ist? Philosophische Reflexion kann hier helfen, jenseits von Extrempositionen wie einem harten Determinismus oder vollständiger Indetermination kohärente Lösungsvorschläge zu entwerfen.

Die Klausurwochen boten den Teilnehmenden eine hervorragende Möglichkeit, über die Grenzen ihres Faches hinauszublicken und Urteilskompetenz in aktuellen Fragen der Bioethik zu erwerben.