DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Der »European Master in Adult Education«

Transnationale Studiengänge als Frucht des Bologna-Prozesses

Regina Egetenmeyer

Der Bologna-Prozess will zu einer größeren Mobilität der Studierenden in Europa beitragen. Dass es, wie böse Zungen behaupten, aufgrund der Modularisierung schwerer geworden sei, zwischen Vechta und Osnabrück zu wechseln als zwischen Mitgliedstaaten der EU, kann da ja nur verstärkend wirken. Der vorliegende Beitrag aus dem Hause der Universität Duisburg-Essen stellt einen Master-Studiengang vor, der aus der Not eine Tugend gemacht hat und die europäische Dimension des Studiums der Erwachsenenbildung stärkt. Der im Rahmen eines Erasmus-Projektes entwickelte »European Master in Adult Education« (EMAE) wurde inzwischen erfolgreich akkreditiert und wird noch 2007 starten.

Die 1999 unterzeichnete Bologna-Erklärung kann als Startpunkt der größten gemeinsamen Entwicklung von Hochschulstudiengängen in Europa verstanden werden. Trotz des Harmonisierungsverbotes im Maastricht-Vertrag ist es gelungen, eine gemeinsame Strategie zu formulieren, die die Vergleichbarkeit europäischer Studiengänge anstrebt. Allen bisherigen Verweisen auf die Unterschiedlichkeit der Bildungssysteme in den europäischen Ländern zum Trotz wurde diese Strategie in den folgenden Jahren zielstrebig verfolgt und zeigt gegenwärtig ihre Resultate.

Die Kritik der deutschen Universitätsprofessoren war zu Beginn groß und hält an (vgl. z.B. Faulstich/Graeßner 2005; Reischmann in diesem Heft). So stellen sich beispielsweise folgende Fragen: Wieso sollen erfolgreiche Studiengänge völlig anders konzipiert werden? Verhindern Bologna und die darauf folgenden Bundes-, Landes- und Hochschulregelungen nicht eher einen Bildungsprozess im Humboldt’schen Sinne?

Trotz der Kritik haben sich die europäischen Bildungsminister entschieden. Sie verbinden mit dem Bologna-Prozess Ziele, die nicht an einzelnen Studiengängen und auch nicht am Bildungsverständnis einzelner Länder ansetzt. Mit dem Bologna-Prozess wird vielmehr versucht, eine Basis für die Entwicklung eines europäischen Hochschulraumes zu schaffen. In diesem sollen Mobilität, Beschäftigungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit (vgl. Sorbonne Declaration 1998) gefördert werden. Dazu bedarf es vergleichbarer und transparenter Abschlüsse, eines gemeinsamen Credit-Systems sowie einer europäischen Dimension in den Studienprogrammen europäischer Hochschulen.

Die Ziele sind in zweierlei Hinsicht weit entfernt von pädagogischen Studienprogrammen. Diese sind in ihrer Struktur stark von den Bildungstraditionen einzelner Länder und Regionen geprägt – man denke dabei nur an die unterschiedlichen Lehramts-Studiengänge in Deutschland. Auch die pädagogischen Diskurse der einzelnen europäischen Länder folgen eigenen Traditionen, aus denen unterschiedliche Inhalte und Lehr-/Lernprinzipien folgen (vgl. Nuissl 2005).

Neben all den Problemen können auch Chancen im Bologna-Prozess gesehen werden. So nahmen eine Gruppe aus acht europäischen Universitäten und das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung den Bologna-Prozess zum

»Bologna als Rahmen transnationaler Studiengänge«

Anlass, gemeinsam einen europäischen Studiengang für Erwachsenenbildung zu entwickeln. Koordiniert wird das Projekt von der Universität Duisburg-Essen unter der Leitung von Prof. Nuissl von Rein. Beteiligt sind Universitäten aus Kaiserslautern, Ostrava, Helsinki, Timisoara, Florenz, Barcelona sowie die Danish University of Education. Das ERASMUS-Projekt »European Master in Adult Education – EMAE« (2004 bis 2007) setzte sich das Ziel, die Transparenz von Erwachsenenbildungs-Studiengängen, Mobilität von Pädagogik-Studierenden sowie den europäischen Diskurs in der Erwachsenenbildung zu fördern. Daneben sehen die Entwickler des »European Master« Potenzial in der Erschließung neuer Arbeitsmärkte in Europa für die Absolventen.

Für die Entwicklung des gemeinsamen Studienprogramms fungieren die Ziele des Bologna-Prozesses als Richtschnur, und die vorgegebenen Strukturen des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQF) setzen Rahmenbedingungen.

Der zu Beginn des Projektes erfolgte Vergleich der Studienangebote im Partner-Netzwerk machte deren »Unvergleichbarkeit« deutlich: Sie erstreckte sich auf unterschiedliche Studienprogramme (unterschiedliche Dauer; konsekutive oder postgraduale Angebote; Vollzeitangebote oder berufsbegleitende Studienprogramme), auf unterschiedliche Zielgruppen (von Studienanfängern bis zu Managern von Erwachsenenbildungseinrichtungen) sowie auf unterschiedliche Themen in der Lehre.

Am wenigsten Anschluss bietet dabei der deutsche Diplom-Studiengang. Dieser entspricht weder dem ersten noch dem zweiten Zyklus des Europäischen Qualifikationsrahmens für Hochschulabschlüsse (vgl. European Ministers of Education 2005). Da Dipl.-Päd.-Studierende nicht über einen ersten akademischen Abschluss verfügen, werden sie aus europäischer Perspektive bislang als undergraduate students betrachtet. International anschlussfähig sind eher gestufte Studiengänge nach dem BA/MA-Modell.

Bei der Entwicklung eines gemeinsamen Studienprogramms konnte im Partnernetzwerk des transnationalen europäischen Master-Studienganges auf das European Credit Transfer System (ECTS) zurückgegriffen werden. Dieses System kann als inkompatibel zur Struktur der deutschen Diplom-Studiengänge bezeichnet werden. So zeigt das deutsche Dipl.-Päd.-Studium beispielsweise eine hohe Freiheit im Lehrangebot von Seiten der Hochschule und in der Lehrveranstaltungsauswahl von Seiten der Studierenden. »Währung« des Diplom-Studienganges sind eher Leistungen (z.B. Leistungsnachweise oder Abschlussprüfungen), während sich die »Währung« von Studiengängen nach dem Bologna-Prozess eher am Arbeitsaufwand der Studierenden orientiert (so entspricht ein Credit-Point einem Studierendenaufwand von 25 bis 30 Stunden, ein Master-Studiengang hat zwischen 60 und 120 Credit-Points).

Im europäischen Partner-Netzwerk werden gemeinsam Lehrveranstaltungen (online und on campus) angeboten. Das ECTS bietet eine gewisse Transparenz und eine Basis, um den Arbeitsaufwand von Studierenden zu kalkulieren. Durch das gemeinsame Lehrangebot im EMAE für alle Studierenden des Partnernetzwerks kann so das Studienangebot an allen Partneruniversitäten erhöht werden. So haben die Studierenden – in der Tradition des Dipl.-Päd.-Studienganges – eine größere Auswahl an Lehrveranstaltungen.

Die Entwicklung des Master-Studiengangs – orientiert an einem prospektiven Arbeitsmarkt der Absolventen – bot die Chance, nicht in einer Diskussion um Wissenschaftsparadigmen, Forschungstraditionen und Bildungsverständnisse stehen zu bleiben. Diese Unterschiedlichkeiten bleiben mit ihren Berechtigungen bestehen. Sie sollen den Studierenden während des Studiums deutlich werden. Ausschlaggebend für Curriculumentscheidungen waren Argumente, die auf die Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen zielen.

Das Potenzial »europäischer Arbeitsmarkt«

Konsequenz aus dieser Entscheidung ist, dass das Curriculum so konzipiert wurde, dass es die Studierenden sowohl auf den jeweiligen nationalen, den transeuropäischen wie auch den Arbeitsmarkt europäischer Nachbarländer vorbereitet soll. Daneben nimmt ein Modul, in dem die Studierenden ein transnationales Projekt bearbeiten, eine zentrale Rolle im Curriculum ein. Den Auftakt bildet hierzu ein jährliches Summer Camp, in dem sich die Studierenden aus den verschiedenen Partneruniversitäten persönlich kennen lernen. Hier werden sie mit internationalen Aufgabenstellungen potenzieller Arbeitgeber konfrontiert. Aufgabe der Studierenden soll es sein, in internationalen Arbeitsgruppen eine solche Aufgabe zu bearbeiten. Damit ist nicht nur ein Praxisbezug zum Arbeitsmarkt hergestellt, sondern die Studierenden müssen sich ebenso mit internationaler Zusammenarbeit auseinandersetzen. Zudem bietet das Projekt Möglichkeiten zur Netzwerkbildung mit potenziellen Arbeitgebern sowie mit Kommilitonen aus den Partneruniversitäten.

Die mit der Curriculumentwicklung einhergehenden Diskussionen um unterschiedliche Wissenschaftsparadigmen, Forschungstraditionen und Bildungsverständnisse machten den Bedarf an transnationaler und vergleichender europäischer Weiterbildungsforschung deutlich. Sie eröffneten neue Perspektiven auf die eigene Forschung. So wurde neben dem Einbezug von Forschungsergebnissen anderer Länder auch die gemeinsame Formulierung von offenen Forschungsfragen möglich. Diese offenen Fragen sollen auch den Studierenden des Master-Studiengangs transparent gemacht werden. Darin liegt die Chance, die Absolventen des Studiengangs für die europäische Weiterbildungsforschung zu motivieren und auf einen europäischen Forschungs-Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Das EMAE-Curriculum

In der Curriculumdiskussion des EMAE-Partnernetzwerks wurde ein Master-Studiengang mit 120 ECTS entwickelt (s. Abb. 1). Es konnte eine Einigung dahingehend gefunden werden, dass der Master-Studiengang ein »Core Curriculum« in Höhe von 70 ECTS sowie ein »University Specific Offer« in Höhe von 50 ECTS umfasst. Hinter dieser Struktur steht der Gedanke, sowohl den gemeinsamen europäischen Inhalten als auch den jeweiligen nationalen Inhalten der Erwachsenenbildung gerecht zu werden. Als europäische Themen wurden im Partnernetzwerk solche benannt, die einen transnationalen Charakter haben (z.B. europäische Bildungspolitik), die einen vergleichenden Ansatz haben, und Themen, die in einem Land diskutiert werden, aber auch eine europäische Relevanz haben.

Aufgabe der Universitäten des Partnernetzwerkes ist es nun, dieses Kerncurriculum zu implementieren und damit ein entsprechendes Studienprogramm an ihrer Universität anzubieten. An der Universität Duisburg-Essen wurde das Core Curriculum eng an den nationalen Master-Studiengang Erwachsenenbildung/Weiterbildung geknüpft. Der Master-Studiengang »European Adult Education« wurde inzwischen bereits erfolgreich akkreditiert und wird im Wintersemester 2007/08 starten.

Neben den Themen des Core Curriculums sollen auch die Teaching Modes – die verschiedenen Lehrformen – den Zugang zu Europa erhöhen. Alle Seminare aus dem Core Curriculum werden auf Englisch angeboten. Daneben gibt es Online-Seminare, in denen die Studierenden aller Universitäten in interkulturellen Arbeitsgruppen gemeinsam an einem Thema arbeiten. Außerdem werden On-campus-Veranstaltungen von internationalen Gastdozenten angeboten.

Zwischen den Partneruniversitäten des Netzwerkes bestehen »bilaterale Verträge«, die Studierenden und Lehrenden einen ERASMUS-Austausch ermöglichen. Den Studierenden wird ein solcher Austausch stark empfohlen. Die gemeinsame Curriculum-Struktur des Partner-Netzwerkes vereinfacht dabei die Anrechnung von Studienleistungen.

Die Entwickler des EMAE nutzen den Bologna-Prozess, um ein Studienangebot zur Erwachsenenbildung zu machen, das einen starken europäischen Fokus hat: Neben der Studienstruktur nach dem Bologna-Prozess integriert das Curriculum zentrale europäische Themen der Erwachsenenbildung. Außerdem bietet der EMAE die Möglichkeit, durch persönliche Kontakte zu Studierenden, Forschenden und Arbeitgebern aus ganz Europa das Potenzial eines gesamteuropäischen Arbeitsmarkts für die eigene berufliche Laufbahn zu nutzen.

Literatur

European Ministers of Education (2005): The framework of qualifications for the European Higher Education Area. Bergen. URL: www.bologna-bergen2005.no/EN/BASIC/050520_Framework_qualifications.pdf (Stand: 25.5.2007)

Faulstich, P./Graeßner, G. (2005): Flexibilität mit Risiko – nicht ohne Nebenwirkungen. Situation und Perspektiven des Hauptfachs Erziehungs- und Bildungswissenschaft: Schwerpunkt Erwachsenenbildung. URL: www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-2005/graessner05_01.pdf (Stand: 25.5.2007)

Nuissl, E. (2005): Professionalisierung in Europa. In: REPORT, H. 4, S. 47–56

Sorbonne Joint Declaration (1998): Joint declaration on harmonisation of the architecture of the European higher education system. URL: www.bologna-berlin2003.de/pdf/Sorbonne_declaration.pdf (Stand: 25.5.2007)

Regina Egetenmeyer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Berufs- und Weiterbildung der Universität Duisburg-Essen