DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

»Unser Leben ist immer eine Art Kompromiss«

Streifzüge durch Erwachsenbildung und andere Grenzregionen mit Peter Radtke

Dr. Peter Radtke, Jg. 1943, Schauspieler, Schriftsteller, Geschäftsführer der »Arbeitsgemeinschaft Behinderung und Medien e.V.« Mitglied des Nationalen Ethikrates. Der von Osteogenesis imperfecta Betroffene – glasknochenkranke – Radtke war 1977-1984 Fachgebietsleiter für das »Behindertenprogramm« der Münchener1 Volkshochschule.
Mit ihm sprach Dr. Peter Brandt (DIE)

DIE: Sie haben sieben Jahre lang die Angebote der Münchener Volkshochschule für Menschen mit Behinderungen verantwortet. Was haben Sie in dieser Zeit gelernt?

Radtke: Menschen mit oder ohne Behinderung unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Interessen nicht wesentlich. Die einen brauchen halt bestimmte Hilfen und Unterstützungen. Ich hatte damals Reisen initiiert mit entsprechender Führung und kulturhistorischen Erklärungen. Diese nicht speziell sonderpädagogischen Angebote hießen »Kulturfahrten« – mit der Unterstreichung von »Kultur«, also keine Betreuungs- oder Kaffeekränzchenfahrten.

DIE: Wie haben Sie es geschafft, den Betreuungsaspekt klein zu halten?

Radtke: Es war für alle etwas dabei. Das wichtigste glaube ich war: Ich habe den behinderten Teilnehmern auch Opfer abverlangt. Sie mussten z.B. warten, wenn sich die Nichtbehinderten eine umständlich zu begehende Burg ansehen wollten. Es sollte für beide Seiten attraktiv sein und auf dem gemeinsamen Interesse an der Sache basieren. Unser Leben ist immer eine Art Kompromiss. Wir hatten nur zwei hauptamtliche Helfer dabei. Das bedeutete, nachdem es eine relativ große Gruppe von behinderten Touristen war, dass die nichtbehinderten Teilnehmer, die genauso bezahlt hatten wie die behinderten, zupacken mussten. Und das funktionierte deshalb gut, weil es unter dem Aspekt der Kultur für die Nichtbehinderten genug Interessantes gab. Sie dachten zu keinem Zeitpunkt, sie wären auf einer Betreuungsfahrt für Behinderte. Für mich waren die Kulturfahrten ein Stück Normalität.

DIE: Sind Menschen mit Behinderungen eine »Zielgruppe«?

Radtke: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es Angebote speziell für Betroffene geben muss. In Kursen wie »Englisch langsam und leicht gemacht« oder »Deutsch langsam und leicht gemacht« haben wir immer die Dozenten darauf hingewiesen, auf die behinderten Teilnehmer in erster Linie Rücksicht nehmen, aber wir haben genauso den Kurs offen gehalten für nichtbehinderte Teilnehmer, es hat immer wieder welche gegeben, die gerne in diese Kurse gegangen sind, weil ihnen aus dem einen oder anderen Grund ein »Normalkurs« zu kompliziert oder zu schnell war. Auf der Basis gleicher Interessen etwas anzubahnen ist sinnvoller, als zu sagen: »Geh’ da hin, weil da Behinderte sind«.

DIE: Was raten Sie den Menschen, die heute in einer Weiterbildungseinrichtung Angebote konzipieren? Sollen sie eher den integrativen Gedanken verstärken und auf spezielle Angebote für Menschen mit Behinderungen verzichten – in der Hoffnung, dass diese an anderen Angeboten teilnehmen? Oder ist es richtiger, spezielle Angebote für die Zielgruppe »Menschen mit Behinderungen« zu schaffen – wobei die sich wieder ausdifferenziert in viele einzelne Zielgruppen? Dadurch würde man wiederum Segregation verursachen.

Radtke: Ich denke, man darf auf keinen Fall eine Ideologie daraus machen, denn der Weg zur Integration ist ein schrittweiser. Bildungsferne brauchen zunächst einmal einen geschützten Raum, in dem sie Lerninhalte geboten bekommen. Es müsste aber im Laufe von zwei, drei Semestern möglich sein, diesen geschützten Raum aufzubrechen und ihn zu einem integrativen Lernraum zu machen. Man überfordert manche Betroffene, wenn man sie sofort Richtung Integration zwingt. Man sollte natürlich das Ziel nie aus den Augen verlieren, dass sich Menschen mit Behinderungen in ganz normale Kurse integrieren.

DIE: Was unterscheidet die Erwachsenenbildung von den Sondereinrichtungen?

Radtke: Die Erwachsenenbildung muss etwas nachholen, was in den Sondereinrichtungen praktisch nicht gemacht wird. Das heißt, viele behinderte Menschen, besonders auch intellektuell eingeschränkte, kommen erst zu einer Reife und zu einer Lernfähigkeit in einem Alter, wo sie eigentlich schon über die Schulzeit hinaus sind. Hier ist die Erwachsenenbildung gefragt, jene Inhalte weiter zu geben,

»Sinnvollen Umgang mit massenhafter Freizeit anbahnen«

die bei anderen schon viel früher vorhanden sind. Was ich Sondereinrichtungen vorwerfe, ist, dass sie häufig die Situation der Arbeitslosigkeit der Menschen mit Behinderung ausblenden. Wenn klar ist, dass jemand höchstwahrscheinlich nicht in einen normalen Arbeitsprozess integriert wird werden können, müsste eigentlich früh damit begonnen werden, ihn auf sinnvolle Nutzung seiner Freizeit vorzubereiten. Aber man wird ihn meist in den Fächern weiter ausbilden, für die er später eigentlich keine Verwendung hat. So ergibt sich hier eine Aufgabe gerade der Erwachsenenbildung: Dinge anzubahnen wie Zeitung lesen, Kulturangebote in Anspruch nehmen, Museen besuchen – einen sinnvollen Umgang mit massenhafter Freizeit.

DIE: Maßgebliche Leute in der Erwachsenenbildung haben sich der Idee selbstgesteuerten Lernens verschrieben. Das impliziert eine Absage an für alle verbindliche Lerninhalte und hat einen Lerner im Auge, der seine Lernangebote selber sucht. Wie sehen sie diese Entwicklung?

Radtke: Ich verfolge diese Diskussionen nicht mehr aktiv, aber sehe einen interessanten Zusammenhang: Je mehr Selbststeuerung, um so größer die Chance, zu einer emanzipierten Persönlichkeit zu kommen. Gerade Menschen mit einer Behinderung werden stark durch die Umwelt beeinflusst, auch in Bezug auf Werte. Ihnen werden die Werte von Nichtbehinderten als erstrebenswert vorgegaukelt, die für sie niemals werden übersetztbar sein in operationalisierbare Ziele. Und insofern ist also ein »Selbstbildnis«, das praktisch auf der Behinderung basiert, schon eine beachtliche Emanzipation.

DIE: So wäre also der Gedanke des selbstgesteuerten Lernens in gewisser Hinsicht »behindertenfreundlich«. Nun darf man aber nicht übersehen, dass er oft für neoliberale Imperative herangezogen wird. Die Propagierung selbstgesteuerten Lernens verträgt sich gut mit dem Anmahnen von Eigenverantwortung: »Ihr seid für euch selber verantwortlich, lernt das, was für eure Selbstvermarktung das Richtige ist!«

Radtke: Ein übertrieben emanzipatorischer Ansatz für manche Betroffene! Insbesondere, wenn sie aus Einrichtungen kommen, haben Betroffene gar nicht gelernt, selbstständig Entscheidungen zu Lernangeboten zu treffen. Gerade, wenn man auch bildungsfernere Schichten erreichen will, müssen Lernbehinderte und sog. geistig Behinderte Berücksichtigung finden.

DIE: ... ein besonderer Anspruch für »Lernberatung«!

Radtke: Wenn man über Lernberatung spricht, dann muss sichergestellt sein, dass es Lernberater gibt, die um

»Selbstlernen nur Endpunkt einer Entwicklung«

den Prozess wissen, der durchlaufen werden muss. Selbstlernen kann nur der Endpunkt einer solchen Entwicklung sein. Ja zu sagen zur eigenen Behinderung und zu einer Lebensweise, die sich durch die Behinderung zwangsweise ergibt, ist ein Prozess. Ich weiß nicht, ob die Erwachsenenbildung diesen Prozess immer richtig unterstützt. In vielen Lehrangeboten wird noch die falsche Illusion genährt: »Lernt nur fleißig, dann könnt ihr euch reibungslos in die Nichtbehinderten-Welt integrieren!« Der Erwachsenenbildung müsste es stärker um Integration der Behinderung in die Persönlichkeit gehen. Heutzutage sehe ich an VHSen kaum mehr Kurse, wie sie in den siebziger Jahren in Frankfurt bei Ernst Klee angeboten wurden. Da war etwas von diesem Emanzipatorischen: behinderte Menschen nicht in eine fremde Rolle drängen, sondern ihnen ihre Behinderung bewusst zu machen und Energien freisetzen, die auch zu politischen Aktionen führen konnten. Aus diesen Kursen ist damals die »Krüppelbewegung« entstanden, die heute wieder abgeflacht ist, vielleicht auch zurecht, denn heute ist ein anderes gesellschaftliches Klima.

DIE: Welches »gesellschaftliche Klima« haben wir heute?

Radtke: ...unter dem Mantel einer gewissen liberalen Haltung eine verschärfte Leistungsorientierung. Die Kluft, die früher zwischen nichtbehinderten und behinderten Menschen verlief, hat sich heute verschoben. Inzwischen verläuft sie zwischen integrierbaren und nicht integrierbaren Behinderten. Viele Behinderte sind durch technische Hilfsmittel – Computer und ähnliches – integrierbar geworden. Der Abstand zu denen, die intellektuell oder motorisch dazu nicht in der Lage sind, hat sich dadurch verschärft. Das Problem ist, dass in der Öffentlichkeit zwangsläufig diejenigen im Vordergrund stehen, die sich selber artikulieren können. Wenn man Erwachsenenbildung umfassend versteht, müsste das Gewicht eigentlich auf denen liegen, die sich nicht artikulieren können.

DIE: Bei zunehmender Nachfrageorientierung ist das ein Problem.

Radtke: Je spezifischer du auf eine Gruppe eingehst, desto kleiner ist die Klientel, die sich dafür interessiert. Das ist zweifellos ein finanzielles Problem.

DIE: Hinsichtlich des gesellschaftlichen Klimas sehe ich zwei gegenläufige Entwicklungen: Auf der einen Seite hat man das SGB IX im Sinne von mehr Teilhabe novelliert. In der UNO läuft eine Diskussion um eine Behinderten- (Menschenrechts-)konvention. Auf der anderen Seite steht die Bioethik-Debatte.

Radtke: Der gesellschaftliche Konsens lautet, grob formuliert: Denen, die jetzt am Leben sind, muss nach Kräften das Leben erleichtert werden. Aber daneben muss verhindert werden, das behinderte Menschen neu auf die Welt kommen. Viele Betroffene durchblicken diesen Mechanismus gar nicht, sondern konzentrieren sich nur auf die Verbesserungen und Errungenschaften für die jetzt Lebenden und sehen gar nicht sehen, dass die Gefahr woanders droht, beim Lebensrecht.

»Die Behindertenbewegung basiert zu stark auf dem Heute und dem Ich«

DIE: Ist es eine Aufgabe für die Erwachsenenbildung, da den Finger in die Wunde zu legen?

Radtke: Es ist sicher Aufgabe, Hintergründe bewusst zu machen. Die Behindertenbewegung basiert zu stark auf dem Heute und auf dem Ich und achtet zu wenig auf die Konsequenzen für nächste Generationen, für die Behinderten, die noch nicht geboren sind. Bei diesen ganzen ethischen Fragen steht der individuelle Vorteil gegen das Gemeinwohl. Ich werde oft gefragt, ob ich gegen Entwicklungen der Medizin bin, die dem Einzelnen sein Leiden lindern. Dann sage ich: Es ist einfach zu sagen, dem soll geholfen werden. Denn man muss die Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft bedenken, wenn bestimmte Dinge forciert werden. Ganz abgesehen davon, dass die Forschungsvisionen den heute Lebenden in der Regel gar nicht zugute kommen, wenn überhaupt der nächsten Generation.

DIE: In Ihrem Leben hatten und haben Schriftstellerei und Theater einen sehr hohen Stellenwert. Sehen Sie Querverbindungen zur Erwachsenenbildung?

Radtke: Insbesondere meine Theaterlaufbahn hat sehr viel mit der Erwachsenenbildung zu tun. Eines der ersten Angebote, das ich als Fachgebietsleiter ins Leben rief, war ein Theaterkurs, den ich dann zwar nicht geleitet habe, aber an dem ich teilgenommen habe. Diese Entdeckung des Theaters war für mich persönlichkeitsbildend, wobei ich mich davor hüte, von Therapie zu sprechen. Therapie sieht Kunst und Kultur nur als Mittel zum Zweck. Wenn du merkst, dass das, was du machst, auch Auswirkungen auf das Publikum oder den Leser hat, dann ist das nicht mehr etwas, was nur dich betrifft, sondern auch einen Dritten. Natürlich würde ich mir wünschen, dass es möglichst viele derartige Angebote in der Erwachsenenbildung gibt, aber eben unter dem Aspekt der Kunst, der Kultur, der Kreativität und nicht so sehr unter dem Aspekt der Therapie. Wir haben ja gerade unter behinderten Menschen eine Kreativität, die sich viele nichtbehinderte Autoren, Komponisten eigentlich ersehnen, die sie durch künstliche Mittel erzwingen. Nehmen Sie einmal ein Buch von einem Autisten: dieser Sprachstil würde bei anderen völlig gekünstelt wirken. Behinderung und Kunst und Kultur hängen sehr eng zusammen. Bei einem Künstler sollte man vielleicht gar nicht von »Behinderung« sprechen, sondern eher nur von kreativen Phasen. Wir wissen, dass bei psychisch kranken Menschen ihre künstlerischen Leistungen am größten sind, wenn sie in einer Krise sind. Gerade dann, wenn sie am behindertsten sind, sind sie am kreativsten.

DIE: Mit Ihrer Bemerkung, bei einem Künstler sollte man vielleicht gar nicht von »Behinderung« sprechen, machen Sie das Fass mit den Begrifflichkeiten auf. Ist es redlich, von »Behinderten« zu sprechen, oder ist »Menschen mit Assistenzbedarf« angemessener? Man kann mit Worten erhebliche Fehler machen und Verletzungen hervorrufen. Ist der Königsweg zwischen klarer Sprache und political correctness schon gefunden?

Radtke: Nehmen wir mal das diffamierende Wort »Krüppel«: Menschen in einem Sektor der Behindertenbewegung haben sich selber so genannt und die »Krüppelbewegung« gegründet. Erst mal kommt es also darauf an, wer etwas sagt. Und dann ist der Kontext wichtig: »Mensch, des is a Hundskrüppel« zeugt von größter Hochachtung – gemeint ist: »das ist ein toller Hecht«. Ich persönlich bin sehr zurückhaltend, was die political correctness anlangt. Weil ich glaube, dass ein zu starkes Insistieren auf Begriffe im Grunde kontraproduktiv ist. Das ist ein bisschen wie der Tausendfüßler, der überlegt, wann er mit welchem Fuß als erstem auftritt. In dem Augenblick hat er die Selbstsicherheit

Einem Blinden »auf Wiedersehen« sagen

verloren. Zum Beispiel wenn ich anfange, zu überlegen, ob ich zu einem Blinden »auf Wiedersehen« sagen kann. Dann hat die political correctness die Kluft eher noch vertieft. Damit will ich nicht sagen, dass die Sprache unwichtig wäre, ich möchte nur die Brisanz raus nehmen. Über die richtigen Worte findet man nicht automatisch zur richtigen Einstellung. Natürlich wird im Umfeld von behinderten Menschen sehr häufig über sprachliche Wendungen gestritten. Solange ein negatives Bild von Menschen mit einer Behinderung existiert, kann man diesen Menschen jeden beliebigen positiven Begriff anheften, nach einiger Zeit wird er negativ aufgeladen sein.

DIE: ... ein Beispiel?

Radtke: Ich war bei einem Kongress in Athen. Dort haben englische Kollegen es abgelehnt, »people with disabilities« zu sagen, sie sprachen von »disabled people«. Ungefähr zwei Wochen später habe ich in Österreich bei einer Rundfunksendung mitgemacht. Da rief ein Hörer an und sagte, man sollte bitte nicht »behinderte Menschen« sagen, sondern »Menschen mit einer Behinderung«. In beiden Fällen hielt man den eigenen Sprachgebrauch für emanzipatorisch. Anstatt krampfhaft positive Begriffe zu finden, sollten wir versuchen, erst einmal eindeutig negative Wendungen konsequent zu vermeiden.

DIE: Können Sie über Behindertenwitze lachen?

Radtke: Ganz ehrlich, ich kann wahnsinnig über Witze über Behinderte lachen. Besonders dann, wenn die Betroffenen selber Witze machen – sehr makaber und schwarz. Es ist nun mal etwas anderes, ob man sich selbstironisch persifliert oder andere dies tun. Ich weiß aber, dass es für einige Kollegen unheimlich verletzend ist, man muss also etwas Rücksicht nehmen. Und weil die Gesellschaft noch nicht vorurteilsfrei gegenüber Menschen mit einer Behinderung eingestellt ist, geben solche Witze dann eher Vorschub für Vorurteile. Es ist auch ein Unterschied, ob ich so einen Witz in England oder Skandinavien mache oder in Deutschland. Es kommt völlig auf das Klima an, in dem solch ein Witz aufgenommen wird. Wo Menschen mit einer Behinderung an sich als gleichberechtigte Mitglieder einer Gesellschaft gelten, ist die Gefahr, dass Witze über sie als diskriminierend empfunden werden, geringer.

DIE: In Ihrer derzeitigen Arbeit als Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Behinderung und Medien produzieren Sie selber Filme und gehen mit Menschen, auch Betroffenen, in das Gespräch darüber, in welchen Rollen und Funktionen Menschen mit Behinderung in den Medien vorkommen. Was ist dabei Ihre Leitfrage?

Radtke: Für viele Menschen sind Film, Fernsehen, Rundfunk oder Zeitung die einzigen Vehikel, mit denen sie etwas über das Leben von Menschen mit Behinderungen erfahren. Um so wichtiger ist: Was wird wie vermittelt? Und hier haben wir in den letzten Jahrzehnten einen erstaunlichen Wandel erlebt. Früher wurde Behinderung entweder ganz ausgespart oder auf den Folien des Negativen oder des Bemitleidenswerten transportiert. Heute sind häufig direkt Betroffene im Medium vertreten. Und es werden nicht mehr so sehr Extrempole dargestellt – Batman oder Bettler. Da hat sich Einiges gewandelt. Wenn wir

»Das Genre verlangt nach dem Klischee«

Medien sichten und kritisch beurteilen, fragen wir, ob die dargestellten Muster die Realität spiegeln, Klischees transportieren oder von der Literaturgattung erfordert sind. Menschen mit einer psychischen Behinderung klagen oft, dass in einem Kriminalfilm die Mörder so oft Psychopaten seien. Das Genre verlangt nach dem Klischee und hat nicht unbedingt eine Aussagekraft für die Realität. Wir müssen Klischees in Beziehung setzen zum Alltagsleben von wirklich Betroffenen.

DIE: Beteiligt sich ihre Arbeitsgemeinschaft am medienpädagogischen Fachdiskurs?

Radtke: Wir kommen viel zu wenig zur theoretischen Arbeit. Dabei ist das Thema seitens der Medienfachleute noch viel zu wenig behandelt. Wenn es behandelt wird, dann eigentlich fast ausschließlich von Soziologen oder Sonderpädagogen. Da versuchen wir eine Brücke zu bauen.

DIE: Danke für das Gespräch.

 


Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Oktober 2003

Peter Brandt, Peter Radtke, Unser Leben ist immer eine Art Kompromiss. Online im Internet:
URL: http://www.diezeitschrift.de/42003/gespraech.htm
Dokument aus dem Internetservice Texte online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung
http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp