DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Weiterbildung in der Wissensgesellschaft - Weiterbildung für die „City of Science“

Versuch einer Neudefinition der Beziehung von Universität und Weiterbildung

Dr. Peter Beier

„Wissensgesellschaft“ definiert sich aktuell volkswirtschaftlich als die Gesellschaft, in der Wissen die entscheidende Quelle für Wertschöpfung ist – als Ressource, als Innovationspotenzial und als verlustfrei zu generierendes Gut. Wissen ist ökonomisiert und wird bilanziert in einer Wissensbilanz. Insofern fehlt dem Begriff der Wissensgesellschaft – und damit auch dem Diskurs über Wissensgesellschaft – ein expliziter Begriff von „Bildung“.

Solange Wissen in diesem Kontext als entscheidende Produktivitätsressource verstanden wird, bleibt es der Gesellschaft als instrumentell zu Nutzendes äußerlich. Konstituierend für die Gesellschaft wird es erst dann, wenn die Subjekte dieser Gesellschaft sich selbst über Wissen definieren und die soziale Kohärenz dieser Gesellschaft durch Wissensprozesse gesteuert wird. Lernen und Bildung sind daher essentiell für die Wissensgesellschaft; sie definiert sich also nicht allein über eine ökonomisierbare Ressource, sondern durch den Prozess der Aneignung von Wissen und seinen reflexiven Gebrauch.

So wie ein Unternehmen nicht allein durch den technischen Einsatz von Wissensmanagement zu einer lernenden Organisation wird, sondern nur im Kontext einer wissensfördernden Unternehmenskultur, so wird auch die Gesellschaft nicht durch den instrumentellen, sondern den reflexiven Gebrauch von Wissen zur Wissensgesellschaft als lernende Gesellschaft.

Insofern lebt die Wissensgesellschaft von der aktiven Lerner-Rolle aller ihrer Akteure – in allen gesellschaftlichen Feldern und allen Lebenslagen. Auf diesen Zusammenhang verweist die – oft als Mantra missbrauchte – Rede vom lebenslangen Lernen: Lernen ist nicht nur ad hoc, punktuell und instrumentell, für bestimmte „Zielgruppen“ oder Lebenslagen nützlich, sondern Lernen ist der Lebensrhythmus dieser Gesellschaft. Lebenslanges Lernen ist die Formel für die zentrale Lebensform der Gesellschaft.

Was für die Gesellschaft als Ganzes gilt, gilt natürlich auch für die Stadt-Gesellschaft. Lebendige Urbanität war schon immer durch eine hervorragende Rolle der Wissensproduktion geprägt. Dies gilt erst recht für die moderne Urbanität, die vor allem durch ihre kommunikativen Möglichkeiten als eine lebendige hochkomplexe Wissensagentur gesehen werden kann.

Die „Wissensagentur Stadt braucht aber, um diese Rolle tatsächlich ausfüllen zu können, eine entsprechend lebendige und komplexe „Organisations- und Personalentwicklung“. Sie braucht engagierte Akteure und eine komplexe Infrastruktur für lebenslanges Lernen.

Die Infrastruktur der lernenden Stadt besteht im Wesentlichen aus den Schulen und Hochschulen als den zentralen Wissens-Produzenten und -Vermittlern. Dazu gehört aber auch die Weiterbildung/Erwachsenenbildung. Sie verlängert das in Schule und Hochschule gewonnene Wissen in den (beruflichen) Alltag hinein, entwickelt durch den kontinuierlichen Ausbau von Qualifikation die für die Dynamik der Gesellschaft wichtigen Wissens-Karrieren und generiert aus dem Zusammenspiel von Erfahrung und Kompetenz neues Wissen: Wissen, das an die nächste Generation weitergebenen wird, und Wissen, das über Patente Fortschritte ermöglicht sowie für Wissenschaft und Forschung die zukunftsweisenden Fragen entwickelt. Die Weiterbildung ist damit ein wichtiger Garant für Nachhaltigkeit in der Wissensgesellschaft!

Akteure dieses zentralen Elements der Wissensgesellschaft sind also ganz viele Menschen: nicht nur Wissenseliten, sondern vor allem Arbeitnehmer und -innen, die durch die alltägliche Bewältigung beruflicher Problemstellungen Lösungen entwickeln, Fortschritt ermöglichen und Wissen vermehren – aber natürlich auch viele Menschen außerhalb beruflicher Zusammenhänge, die Problemlösungs- und Orientierungskompetenz entwickeln und damit die für die Gestaltung unserer Gesellschaft notwendigen Kernkompetenzen bereitstellen. Auch hier entsteht Wissen und wird für die Gesellschaft generiert – wenn sie es denn nutzt!

In der Ökonomisierung des Wissens liegt die Gefahr eines neuen Fordismus – und damit eines weiteren Auseinanderdriftens von Gewinnern und Verlierern. Wissensgesellschaft im vollen Sinn realisiert sich in einer innovativen Kultur von Erwerbsarbeit, aber auch in der Familie, in Vereinen, in bürgerschaftlichem Engagement. Die Zivilgesellschaft ist eine lernende Gesellschaft.

Die lernende Stadt und ihre zentralen Akteure müssen sich aber dieser Ressource auch immer wieder vergewissern: durch Pflege und Förderung, aber auch durch eine reflexive Positionsbestimmung der Rolle von Wissen für die kommunikative Selbststeuerung der Gesellschaft, der Stadt. Wissenspolitik ist deshalb nicht nur volkswirtschaftlich orientierte Standortpolitik, sondern auch eine Politik für die Lebensqualität der Stadt und der in ihr lebenden Menschen unter den Bedingungen reflexiver Modernisierung.

In diesem Prozess können und müssen die Universitäten und die Weiterbildung ihre Rolle neu definieren

sondern

Für Bremen als „Stadt der Wissenschaft 2005“ heißt das: Die Attraktivität Bremens wird zukünftig noch stärker als bisher davon abhängen, dass hier eine lebendige kommunikative und intelligente Urbanität entsteht. Innovation durch Wissen als Markenzeichen.

Universität und Weiterbildung können für diese Entwicklung gemeinsam einen wichtigen Beitrag leisten.