DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Gute Praxis BNE

Eine Zusammenstellung von aktuellen Projekten globalen, sozialen und umweltbezogenen Lernens

In den voranstehenden Autorenbeiträgen blieb teilweise offen, wie konkret nachhaltigkeitsrelevantes Verhalten und Wissen erlernt wird, wie die Praxis einer Bildung für nachhaltige Entwicklung aussieht. Die von der DIE-Redaktion gesichteten und hier vorgestellten Projekte verstehen sich nicht notwendig als BNE-Projekte, nur eines von ihnen ist offizielles Dekade-Projekt. Oft vollzieht sich Bildung für nachhaltige Entwicklung eben doch unter anderen Vorzeichen. Und das muss nicht einmal ein Problem sein.*

Redaktion: DIE/PB

Zur Bildung für nachhaltige Entwicklung gehört zentral das Erlernen von »Beteiligung«, von aktiv bürgerschaftlicher Mitwirkung bei Prozessen, die Zukunft ausmachen. Lernangebote dieser Art werden teilweise von Einrichtungen der allgemeinen und politischen Bildung bereitgestellt, teilweise finden diese Lernprozesse weniger formalisiert im Rahmen von Lokalen Agenden statt oder informell in Bürgerinitiativen.


»Gemeinsinn-Werkstatt«

Nun hat unter der Federführung der Bertelsmann Stiftung und des Zentrums für angewandte Politikforschung (CAP) der Universität München ein Netzwerk von Institutionen und Methodenexperten aus Forschung, Beratung, Evaluation, Moderation, Bildung und Administration die sog. »Gemeinsinn-Werkstatt« entwickelt. Unter dem Motto »Beteiligung übers Reden hinaus« hat sich das Netzwerk ein ambitioniertes Ziel gesetzt, das die - für BNE zentrale - Gestaltungskompetenz entwickeln helfen könnte.

Die »Gemeinsinn-Werkstatt« ist ein Netzwerk von Begleitern und Initiatoren und das Ergebnis einer mehrjährigen Suche nach effektiven Methoden der Gemeinsinn-Förderung. Ziel ist es, brennende Anliegen mit unter
schiedlichen Akteuren und Herangehensweisen nicht nur schrittweise zu aktivieren, sondern auch konstruktiv zu realisieren und in den Alltag zu integrieren. Dabei werden freiwilliges Engagement, Wertschätzung und nachhaltige Entwicklung mit methodischen Mitteln gefördert. Die Gemeinsinn-Werkstatt als Beteiligungsansatz hilft diese Prozesse theoretisch zu vertiefen und praktisch anzuwenden. Das entstandene Grundkonzept lässt sich sowohl auf Stadt- und Regionalentwicklung, das Organisations- und Personalmanagement, als auch auf verbesserte Vereins- und Verbandsarbeit übertragen und individuellen Bedürfnissen anpassen. Ob im Wirtschafts-, Sozial-, Politik-, Umwelt- und/oder Bildungsbereich, Gemeinsinn-Werkstätten helfen bei der sinnvollen Vernetzung konkreter Aktionen und Akteure bei gruppenübergreifenden Kooperationsprojekten.

Die Gemeinsinn-Werkstatt wurde als Projektverfahren für Großgruppen konzipiert, und Entwicklungsprozesse können zwischen drei Monaten und drei Jahren dauern. Die Gemeinsinn-Werkstatt hat sich in der Praxis bewährt und wird durch ein Begleitnetzwerk unterstützt.

www.gemeinsinn-werkstatt.de


»Ch@t der Welten«

»Ch@t der Welten« heißt ein internetbasiertes Schulprojekt der InWEnt gGmbH, das Jugendlichen globale entwicklungs- und umweltpolitische Themen näher bringt. In einer Pilotphase 2003 widmete sich der Chat dem Thema »Erdöl im Regenwald«. Modular aufgearbeitete Informationen wurden zu diesem klar umrissenen Thema mit regionaler Begrenzung auf Lateinamerika bereitgestellt. Mit Akteuren aus dieser Region und Fachleuten von hiesigen Nichtregierungsorganisationen und Institutionen konnten die Jugendlichen via Internet in Kommunikation treten, Fragen stellen und diskutieren. Das internetbasierte Lernen und Kommunizieren wurde durch Präsenzveranstaltungen ergänzt, bei denen spezielle Lernorte besucht wurden, Besuche außerschulischer Partner im Unterricht oder zentrale Diskussionsveranstaltungen stattfanden.

Später wurde die Themenpalette erweitert um die Themen Biodiversität, nachwachsende Rohstoffe am Beispiel Holz/Papier, indigene Völker in Lateinamerika, Klima/Energie und Wasser. Für die jeweiligen Themen wählt die InWEnt GmbH passende Kooperationspartner aus.

»Ch@t der Welten« bietet den Jugendlichen die Möglichkeit, die Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten und sich ein eigenes Bild über die Problemlage und Lösungsansätze zu machen. Die globalen Zusammenhänge zwischen Lebensstil im Norden und dessen Auswirkungen in den Ländern des Südens werden so verdeutlicht.

»Ch@t der Welten« ist offzielles Dekade-Projekt und wird von der nordrhein-westfälischen Stiftung für Umwelt und Entwicklung, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit unterstützt und ab September 2005 über die Regionalen Zentren von InWEnt in acht weiteren Bundesländern durchgeführt.

www.chatderwelten.de


»Lernen in fremden Lebenswelten«

Soziales Lernen ist Bestandteil einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, weil Verantwortlichkeit im sozialen Gefüge gerade zwischen der heutigen und der künftigen Generation die Zukunft der Gesellschaft sichert.

Dem sozialen Lernen hat sich auch die gemeinnützige Agentur »mehrwert gGmbH« verschrieben, die in enger Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen ein praxisnahes und lebendiges Lernprogramm zur Förderung von sozialen und personalen Kompetenzen bei Auszubildenden, Schülern, Hochschülern und Führungskräften anbietet. Kern ist die in der Regel einwöchige Mitarbeit in sozialen Einrichtungen. Die Begegnung mit alten, behinderten, kranken oder obdachlosen Menschen verändert nicht nur die eigene Werteeinstellung, sondern fördert auch Einfühlungsvermögen und Toleranz gegenüber Menschen in betreuten Lebenssituationen. Der Transfer der ungewohnten Erlebnisse in neue Erkenntnisse und Handlungsmöglichkeiten entfaltet sich anhand einer systematischen Anleitung durch die Agentur mehrwert zur Reflexion ganz natürlich. Das Projekt »Lernen in fremden Lebenswelten« ist vom DIE im Jahre 2003 mit dem Preis für Innovation in der Erwachsenenbildung ausgezeichnet worden. Die Agentur wurde im April 2000 gegründet und hat seitdem ihre Projektarbeit stetig ausgeweitet. Ihre Wurzeln liegen in der Kirche und der Diakonie in Württemberg.

www.agentur-mehrwert.de


Das Erlernen ethischer Prinzipien trägt zur nachhaltigen Entwicklung bei. In der beruflichen Bildung ist das Erlernen von ressourcenschonendem Wirtschaften - nicht nur bezogen auf monetäre Ressourcen - inzwischen weit verbreitet.

»Nachhaltigkeit im Einzelhandel«

Ein Beispiel ist das Projekt »Nachhaltigkeit im Einzelhandel« des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), das Einzelhandelsunternehmen im Hinblick auf eine umweltgerechte Betriebsführung, Kundenberatung und eine entsprechende Sortimentsgestaltung unterstützt und so den Weg hin zu einer ökologisch verträglichen und nachhaltigen Wirtschaftsweise ebnen hilft. Ziel des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekts ist es, Impulse zur Förderung einer nachhaltigen Handelsstruktur zu setzen und zu einer dauerhaften Verankerung von Kriterien zur Bewertung von Nachhaltigkeit im Handel beizutragen. In drei Branchen (Bau- und Heimwerker, Lebensmittel und Bürowirtschaft) wurden praktische Konzepte für eine umweltgerechte Unternehmensführung entwickelt und mit den beteiligten Pilotunternehmen erprobt. Um den Mitarbeiter/inne/n im Einzelhandel künftig einen schnellen Zugriff auf zuverlässige Informationen zu ermöglichen, wurde ein modulares Schulungskonzept entwickelt. Die Kombination von Schulungsdiskette mit ausführlichen Anleitungen zur Mitarbeiterschulung sowie zur Beschaffung von Informationen u.a. durch einen Online-Infopool im Internet sollte Mittelständler motivieren, das Internet systematisch für Mitarbeiterqualifizierung und Informationsrecherche zu nutzen.

Projekte wie dieses werden künftig auf einer Informationsplattform im Themenfeld Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung vorgestellt, die im Rahmen eines Kooperationsprojektes des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) aufgebaut wird: »Good-Practice-Agentur Nachhaltige Entwicklung in Berufsbildung und Arbeit«, kurz GPA-NiBA.

www.bibb.de/nachhaltigkeit

www.bibb.de/de/nh_9441.htm


»Wirtschafts- und Unternehmensethik«

Etwas allgemeiner auf ethische Standards des Wirtschaftens hin agiert das Projekt »Wirtschafts- und Unternehmensethik«, ein bei der Evangelischen Akademie der Pfalz angesiedeltes und vom Land Rheinland-Pfalz gefördertes Modellprojekt. Hintergrund ist, dass bei mittleren und großen Unternehmen das Interesse an umsetzbaren Konzepten einer praxisnahen Unternehmensethik immer größer wird und strategische Bedeutung erlangt. In der Diskussion um Unternehmensethik ist Nachhaltigkeit ein zentraler Begriff. Denn der Umwelt kann auf Dauer nicht mehr entnommen werden, als sie zurückbekommt. Erst wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann sich ein Unternehmen als nachhaltig bezeichnen und dauerhafte Aktivitäten entfalten. Die qualifizierte Beschäftigung und entsprechende Bildungsangebote zum Thema Unternehmensethik leisten so einen Beitrag zur Entwicklung verantwortlicher Strategien im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel.

Um gesellschaftlichen Wertewandel und unternehmerische Verantwortung zu einem verbreiteteren Gesprächsgegenstand zu machen, bildete die Evangelische Akademie ein Netzwerk mit
Akteuren aus der Wissenschaft, jungen Führungskräften, Unternehmensberatern und Studierenden, innerhalb dessen unterschiedliche Veranstaltungen durchgeführt wurden. So will das Projekt »Orte und Möglichkeiten schaffen, an denen die jüngere und mittlere Generation, die sich beruflich und gesellschaftlich in der Etablierungsphase befindet, für die wachsende Bedeutung unternehmensethischen Denken sensibilisiert wird.« Mit »sneep«, einem studentischen Netzwerk für Unternehmensethik, sowie dem Berliner Forum zur Wirtschafts- und Unternehmensethik ist im April eine Tagung zu »Unternehmensethik in der Aus- und Weiterbildung« durchgeführt worden. Die Kooperation mit den »Wirtschaftsjunioren« hat u.a. eine Veranstaltungsreihe »Der Wert des Menschen im Unternehmen« hervorgebracht, die an verschiedenen Orten stattfindet und auf gute Resonanz stößt.

Weitere Informationen:
Dr. Matthias Schmidt
Evangelische Akademie der Pfalz
Tel: 06301 7186-32
E-Mail: matthias.schmidt@eapfalz.de

www.evangelische-akademie-pfalz.de


»Fish Banks«

Auf den Erlebnischarakter setzt der Bundesverband TuWas e.V., der seine Nachhaltigkeits-Trainings mit dem Planspiel »Fish Banks«, einem computerunterstützten Gruppen-Simulationsspiel aus der Werkstatt von Dennis Meadows bestreitet.

In dem dreistündigen Kompakt-Seminar »Nachhaltigkeit erleben« übernehmen die Teilnehmer in Gruppen die Rolle von Fischereiunternehmen und bewirtschaften Fischbestände einer Hochsee- und Küstenzone. Durch das Eintauchen in die realistische Spielsituation können die Herausforderungen bei der nachhaltigen Nutzung gemeinsamer Ressourcen hautnah erlebt werden.

In der Auswertungsphase werden Spielverlauf, Strategien und Kommunikationsverhalten gemeinsam analysiert. Durch die ganzheitliche Ausrichtung des Seminarkonzeptes ist es möglich, je nach Trainingsziel auf die verschiedenen Anforderungen von Nachhaltigkeit wie Informationsmanagement, Strategiebildung, Systemdenken, Risikokommunikation sowie Team- und Organisationsentwicklung einzugehen.

Mit Blick auf das eigene Spielerleben können die Teilnehmer die zentralen Probleme beim Bewirtschaften öffentlicher Ressourcen erfahrungsbasiert reflektieren. Diese Problematik, das sogenannte »Allmende-Dilemma«, basiert auf sozial-ökologischen Hindernissen, die u.a. im Wettbewerbssystem, in den kommunikativen Möglichkeiten der Teilnehmer oder in der zeitverzögerten Reaktion natürlicher Systeme begründet liegen.

Aus diesem Verständnis heraus können die Teilnehmer konkrete und zentrale Lösungsmöglichkeiten erarbeiten und daraus Lösungskompetenz erwerben.

Der abstrakte Schlüsselbegriff »Nachhaltigkeit« wird durch individuelle Erfahrungen und Emotionen in die eigene Welt integriert sowie mit Strategien und neuen Verhaltenskonzepten gefüllt.

Das Seminar »Nachhaltigkeit erleben« wird von TuWas kontinuierlich z.B. in der betrieblichen Fortbildung, bei Tagungen und in der Lehrerfortbildung eingesetzt.

Daneben erarbeitet TuWas derzeit ein »Activity-Set«, mit dem ein einfacher, aber umfassender Einstieg in das Planspiel »Fish Banks« für Multiplikatoren und Seminarleiter ermöglicht wird.

www.tuwas.net


»Globales Lernen in der VHS«

Die internationale bzw. globale Dimension einer zukunftsfähigen Bildung steht im Zentrum der Aktivitäten des Deutschen Volkshochschul-Verbandes e.V. (DVV) im Kontext der UN-Dekade. Die konkrete Umsetzung erfolgt im Rahmen eines Multiplikatorenprojekts »Globales Lernen in der Volkshochschule« mit dem Ziel, entwicklungspolitische Bildung als wesentliches Element Globalen Lernens landesweit an Volkshochschulen (VHS) zu verankern.

Um dies zu erreichen, bedarf es motivierter und qualifizierter Multiplikator/innen auf allen Ebenen des VHS-Bereichs. Das Projekt richtet sich daher an die haupt- und nebenamtlichen Mitarbeiter/innen sowohl der Landes- und Regionalverbände, ihrer Facharbeitskreise und Gremien als auch der einzelnen Volkshochschulen. Sie sind die zentralen Akteure, wenn es gilt, Ansätze und Inhalte Globalen Lernens einem breiteren (VHS-)Publikum zu vermitteln, und daher auch die Adressaten, die das Projekt fachbereichsübergreifend durch Beratung, die Förderung von Fortbildungen und Materialien direkt anspricht und unterstützt.

Das Projekt, gefördert vom BMZ, ist angesiedelt im Institut für Internationale Zusammenarbeit (IIZ) des DVV, das seinerseits weltweit Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der Erwachsenenbildung unterstützt. Fachkenntnisse und Erfahrungen aus der eigenen Auslandsarbeit des DVV, aber auch Synergien, die aus der Vernetzung mit Projekten des IIZ/DVV im Bereich der interkulturellen und europapolitischen Bildung sowie mit anderen entwicklungspolitischen Bildungseinrichtungen resultieren, ergänzen die Arbeit des Projekts »Globales Lernen in der VHS«.

Weitere Informationen:
Eva König (IIZ/DVV)
Tel: 0228 97569-43
E-Mail: koenig@iiz-dvv.de

www.iiz-dvv.de


Qualitätsentwicklung und Zertifizierung

Zur Professionalisierung der BNE tragen Aktivitäten zur Qualitätsentwicklung und Zertifizierung bei, wie sie im Land Schleswig-Holstein betrieben
werden: Mit Mitteln des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MLUR) werden von der Schleswig-Holsteinischen Umweltakademie 37 Einrichtungen der außerschulischen Umweltbildung und des Globalen Lernens beraten. Ziel der Beratung ist eine Qualitätsentwicklung im Sinne des BNE-Ansatzes. Die Einrichtungen erarbeiten ihr spezifisches BNE-Profil und entwickeln ihre Arbeit in Qualitätszirkeln weiter. Zum expliziten Ziel der Lehr-/Lernarrangements soll die Gestaltungskompetenz werden. Am Ende sollen die beratenen Anbieter

In Schleswig-Holstein können sich Anbieter auch als »Bildungspartner für Nachhaltigkeit« zertifizieren lassen. Voraussetzungen für das durch das MLUR und das Bildungsministerium (MBF) verliehene Zertifikat sind:

www.bfne.lernnetz.de

* Für die Bereitstellung von Informationen und Textbausteinen zu den Projekten dankt die DIE-Redaktion Gabriele Bartsch (Agentur mehrwert), Eva König (IIZ), Karin Kopshoff (InWEnt), Konrad Kutt (BIBB), Matthias Schmidt (Evangelische Akademie der Pfalz) und Christian Siebert (TuWas) .