DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Stichwort: »BNE«

Gertrud Wolf

Dr. Gertrud Wolf war zuletzt wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung in Bonn und hat über »Konstruktivistische Umweltbildung« promoviert.

Bildung für eine nachhaltige Entwicklung«, kurz: »BNE« - einen Werbefachmann, der diesen Markennamen für ein neues Bildungsprodukt erfunden hätte, den hätte man glatt gefeuert. Der Schwerfälligkeit dieser Wortschöpfung steht allerdings eine Vision gegenüber, deren Grundgedanke so wichtig wie beinahe banal ist: Dass eine sinnvolle Verbindung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Fragen Leitmaxime der globalen Entwicklung sein muss, wenn sie nicht in Kriegen und Umweltkatastrophen eskalieren will, das bedarf wohl kaum einer weiteren Begründung. Während Umweltbildung oder Friedenspädagogik sich aber auf Anhieb auch dem Laien zu erschließen scheinen, geraten selbst die Akteure der BNE schon mal ins Stottern, wenn sie den Gegenstand ihrer Tätigkeit erklären sollen. Vielleicht, weil man zu sehr bemüht ist, dieses syntaktische Schwergewicht ins rechte Bild zu rücken, statt sich auf die sinnvollen Inhalte zu konzentrieren. Vielleicht auch, weil man den Verdacht nicht los wird, dass die Pädagogisierung der globalen Krisen nur einen Nebenschauplatz eröffnet, der von den eigentlich Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft ablenkt. Anstatt uns von der berauschenden Wortkulisse beeindrucken zu lassen, werfen wir einen Blick auf die Akteure: Naturschutzverbände, Umweltzentren und Ökostationen betreiben ebenso BNE wie Dritte-Welt-Läden, Friedensinitiativen und Lokale Agenda-Gruppen; in Kindergärten, Schulen, der beruflichen und der Erwachsenenbildung gibt es Angebote, Projekte, Lerneinheiten, module und -materialien zu BNE.

Auf den ersten Blick scheint es so, dass die Hauptakteure der BNE die üblichen Verdächtigen sind: Umwelt- und Friedenspädagogen, Entwicklungshilfe-Gruppen sowie einige Vertreter der politischen Bildung. Alter Wein in neuen Schläuchen? Nein, keinesfalls, denn eine andere Akteursgruppe wird trotz ihrer Wichtigkeit oft übersehen: die Unternehmen. Ausgerechnet die Wirtschaft tut sich viel weniger schwer mit dem Nachhaltigkeitsgedanken als der Bildungsbereich. Schon 1997 hat die Firma Hoechst ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, Berichte zur Nachhaltigkeit gehören heute zum Standard von großen Konzernen, Schlagworte der Ökonomie wie »life-work-balance« und »diversity« lassen sich eben hervorragend mit dem Nachhaltigkeitsgedanken verbinden. Die Vision einer nachhaltigen Entwicklung löst in der Industrie also keinesfalls nur kapitalistisch begründeten Widerstand aus, sondern ist an den durchaus vorhandenen Ethikdiskurs der ökonomischen Wissenschaften anschlussfähig.

Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 wird auch in Unternehmerkreisen zunehmend die Frage diskutiert, wie sozial und ökologisch verträglich gewirtschaftet werden kann. Mag die Motivation der Ökonomen auch davon gespeist sein, dass die Rendite durch ökologische und soziale Folgekosten langfristig geschmälert wird, so beweist die Diskussion um »stakeholder value« und »shareholder value«, dass selbst Aktiengesellschaften lernfähige Institutionen sein können. Ein Indiz hierfür mag z.B. die Beteiligung der Schering AG am Runden Tisch der UN-Dekade zur Nachhaltigkeitsbildung sein. Bei der Verbreitung des Nachhaltigkeitsgedankens kommt den Unternehmen gewiss eine Schrittmacherfunktion zu, wenn es darum geht, auch die Menschen zu erreichen, die nicht unmittelbar in Bildungsprozesse eingebunden sind. BNE bedeutet schließlich nicht, über Nachhaltigkeit zu philosophieren, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit zu agieren. Dies lernt man nicht in einem Kurs oder Seminar, sondern in Alltag und Lebenswelt. In Anlehnung an Aristoteles' »Nikomachische Ethik« könnte man etwa sagen: Wir werden gerecht, indem wir gerecht handeln, besonnen, indem wir besonnen, tapfer, indem wir tapfer handeln ... und nachhaltig, indem wir nachhaltig handeln. Damit aber kommt informellen Lernprozessen eine besondere Bedeutung zu.

Insofern hebt sich die BNE also doch von Umwelt- und Friedenspädagogik ab: Die Berücksichtigung ökonomischer Interessen wirkt sich zumindest als Türöffner aus. Im Verein mit kleinen und mittelständischen Betrieben sowie den großen Konzernen kann der Bildung damit vielleicht etwas gelingen, was die Politik verschlafen hat: Menschen zu ermuntern, sich der Gestaltbarkeit ihrer Zukunft bewusst zu werden, Möglichkeiten der Partizipation zu schaffen und zum Erwerb der entsprechenden Kompetenzen professionell beizutragen.