DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Pädagogische Innovation

EKKEHARD NUISSL

"Innovation" ist ein aktuelles Modewort. Traditionell wurde es gebraucht in bezug auf technologischen Fortschritt, etwa in bezug auf Militärtechnologie oder Technik für erhöhte Arbeitsproduktivität. Eine allgemeinere Bedeutung hatte das Wort im deutschen Sprachgebrauch nicht. Im "Brockhaus" von 1970 steht zwischen "In nomine" und "Innozenz" nur: "Innovationsknospe, s. Erneuerungsknospe".

Der "Club of Rome" betonte erstmals "innovative" statt "tradierte" Lernprozesse mit den Merkmalen Antizipation, Partizipation, Autonomie und Integration. Analogien zum Innovationsbegriff hatte in der Erwachsenenbildung etwa der Begriff der "neuen Richtung" in der Weimarer Republik oder der "realistischen Wende" Ende der 60er Jahre.

Innovation wird gewöhnlich mit "Erneuerung" übersetzt, ist dann aber mißverständlich; gemeint ist eher etwas Neues, weniger etwas wieder Erneuertes. Gebraucht wird der Begriff der Innovation für unterschiedliche Sachverhalte; so gelten etwa Maßnahmen der Gegensteuerung ebenso als innovativ wie solche der Trendergänzung, der Grenzüberschreitung oder der Neuerfindung. Im allgemeinen wird Innovation als wertende Kategorie gebraucht, jeweils mit Blick auf ein wünschenswertes Ziel - etwa mehr Demokratie oder mehr Humanität. Fortschritt, insbesondere nur technischer Fortschritt ist nicht identisch mit "Innovation". Oft wird allerdings versäumt, den Wertmaßstab, auf den sich das Innovative bezieht, explizit zu nennen.

In der Erwachsenenbildung sind Innovationen historisch bekannt und systematisch denkbar etwa zu folgenden Punkten:

- Inhalte, die Arbeit an neuen, gesellschaftlich und politisch wichtigen Themen (z.B. Umwelt);

- Arbeitsformen, die Arbeit mit neuen Mitteln (etwa Medien, Moderation etc.);

- Zielgruppen, die Arbeit mit neuen Personengruppen und an deren Fragen und Interessen (z.B. Alphabetisierung etc.);

- Programme, die Arbeit mit neuen Systemen und Bezügen (z.B. Curricula, Zertifikate, Baukastensysteme etc.);

- Reichweite, die Arbeit mit kooperativen und vernetzten Modellen (z.B. Globalisierung, Entgrenzung des Lernens etc.).

Strukturfragen beim Feststellen und Bewerten von Innovation sind folgende:

· Beobachtbarkeit: Oft sind Innovationen nur schwer beobachtbar, vor allem dann, wenn kein Außenstandpunkt bezogen wird oder werden kann. Nicht selten wird daher eine Innovation erst in der historischen Betrachtung erkennbar.

·Eingrenzbarkeit: Nur selten verfügen Innovationen über benennbare Initiationsakte, meist entwickeln sie sich in längerfristigen Analyse- und Umsetzungsverfahren (wie beispielsweise bei der Organisationsentwicklung über die regelmäßige Umfeldanalyse).

· Dauerhaftigkeit: Oft ist feststellbar, daß Innovationen nur einmalig auftreten, sich aber nicht dauerhaft etablieren oder wiederholen; die Frage ist dann, ob es sich um Innovationen handelt.

Viele der "Innovationen" in der Erwachsenenbildung waren bereits in anderen gesellschaftlichen Bereichen oder in anderen Sprachen und Ländern entwickelt, bevor sie auf die Erwachsenenbildung übertragen wurden. Die Innovation besteht dann in der Anwendung bereits bekannter Paradigmen auf neue Situationen, für die sie erklärungsfähig sind und denen sie anverwandelt werden müssen. Eine besondere Bedeutung bekommt Innovation auch als Element von Qualitätssicherung in der Erwachsenenbildung. Grundlage innovativer Prozesse ist dabei die regelmäßige Umfeldanalyse, die in Revision der Produkte, Marketingkonzepte und Organisationsentwicklung umgesetzt wird. Innovation ist in diesem Kontext ein kontinuierlicher Vorgang.

Die neuerdings häufige Verwendung des Innovationsbegriffes auch in der Erwachsenenbildung ist nützlich, wenn es darum geht, deren Flexibilität und Wandlungsfähigkeit zu bezeichnen. Sie ist mit Skepsis zu betrachten, wenn sie als "Wert an sich" ohne Angabe des jeweils zugrundeliegenden Berwertungsmaßstabes gebraucht wird. Als bewertende Kategorie signalisiert "Innovation" etwas Bewegliches und Lebendiges, das sich in steter Auseinandersetzung mit Bedürfnissen, Interessen und neuen Situationen befindet. In diesem Sinne ist Innovation auch als pädagogischer Begriff hilfreich und politisch wertvoll.