DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Stichwort »PISA lebenslang«

Stefanie Conein

Als im letzten Jahr die ersten Ergebnisse der Schulstudie Programme for International Student Assessment, kurz: PISA, veröffentlicht wurden, entfachten sie einen medialen, bildungspolitischen und bildungswissenschaftlichen Sturm, gegen den die TIMSS-Diskussion Anfang der 1990er Jahre retrospektiv als ein laues Lüftchen erscheint. Bei der Studie handelt es sich um den ersten Zyklus eines auf zehn Jahre (1998-2008) angelegten Testprogramms der OECD, an dem insgesamt 32 Länder teilnehmen. Getestet wurden pro Land zwischen 4500 und 10.000 Schüler(innen) der Altersstufe 15 Jahre. In Deutschland waren es etwa 5000 aus 219 Schulen. Für die nationale Ergänzungsstudie PISA-E, die einen Vergleich der Bundesländer ermöglichen sollte, gab es in Deutschland eine Stichprobenerhöhung auf dann 50.000 Schüler(innen). Zudem wurden nationale Ergänzungstests verwendet, welche stärker curricular ausgerichtet waren als die internationalen Tests.

Nachdem die erste Bestürzungswelle (»PISA-Schock«, »PISA-Katastrophe«) nebst höchster medialer Aufmerksamkeit vor allem über die Schulpolitiker, Schulverwalter und Schulpädagogen hinweggerollt ist, melden sich auch Angehörige anderer Bildungsbereiche zu Wort. Allen voran die Weiterbildner, die zurecht erkennen, dass die PISA-Ergebnisse gerade für den Traum vom Lebenslangen Lernen alles andere als erfreulich sind. Getestet wurde bei PISA nämlich weniger das Wissen der Schüler(innen) als vielmehr ihr (in der Studie mit »Literacy« bezeichnetes) Vermögen, die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Bewältigung von alltagsnahen Situationen anwenden zu können. Besonderes Augenmerk galt in Bezug auf das Lebenslange Lernen den ­– neben »reading literacy«, »mathematical literacy« und »science literacy« getesteten – »cross-curricular competencies«, den fächerübergreifenden Kompetenzen. Was dort geprüft wurde, liest sich wie ein Katalog der Bedingungsfaktoren Lebenslangen Lernens: Lernstrategien, motivationale Präferenzen, Ziel­orientierungen, selbstbezogene Kognitionen, Handlungskontrolle, Einstellungen zu kooperativem und kompetitiven Lernen und implizite Theorien über das Lernen, über Anstrengung und Fähigkeiten.

Um das im EU-Memorandum im Jahr 2000 postulierte Lebenslange Lernen für alle trotz des schlechten Abschneidens der deutschen Schüler(innen) beim PISA-Test zu realisieren, müssen natürlich auf lange Sicht in erster Linie in der grundständigen Bildung bessere Voraussetzungen geschaffen werden. Aktuell ergeben sich jedoch durch PISA auch für die Weiterbildung einige Aufgaben:

Der Bereich der Grundbildung muss konzeptionell überarbeitet und ausgeweitet werden.

Die Zugangsbarrieren zu den Angeboten müssen weiter abgebaut werden. Auch diejenigen, die bei der Lesefähigkeit auch das tiefste Kompetenzniveau nicht erreichten, müssen Zugang zur Weiterbildung haben und sie wahrnehmen können.

Die Weiterbildung hat eine besonderes Wissen darüber, welche Kompetenzlücken nach der Schule vorhanden sind. Sie muss sich am Dialog für eine bessere Schulbildung unbedingt beteiligen.

Eine Möglichkeit, die durch PISA ebenfalls konstatierten generationenübergreifenden Kompetenzlücken zu verhindern, ist ein verstärktes Engagement in der Elternbildung.

Wenn fundiert analysiert wurde, was die genauen Ursachen des schlechten Abschneidens sind, kann sich auch die Lehrerfortbildung fundiert um Verbesserungen in der Schule bemühen.

Diese Liste ließe sich noch weiter fortsetzen.

Sicher ist PISA, wenn reflektierte Konsequenzen gezogen werden, eine große Chance für die schulische Bildung. Vielleicht wird durch PISA jedoch auch die Diskussion um die für das Lebenslange Lernen zu vermittelnden Kompetenzen auf ein konkreteres Niveau gehoben. Wer soll was wie und wann lernen und vor allem: Welche Ressourcen stehen dazu bereit, damit Lebenslanges Lernen für alle aus den Memoranden in die deutsche PISA-geprüfte Bildungswirklichkeit überführt wird.


Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Juli 2003

Stefanie Conein, Stichwort »PISA lebenslang«. Online im Internet:
URL: http://www.diezeitschrift.de/32003/conein03_01.htm
Dokument aus dem Internetservice Texte online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung
http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp