DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

KÖNIG OTTO VON GRIECHENLAND - IN DER WEITERBILDUNG UNDENKBAR

Der Trainer in Sport und Weiterbildung - eine und dieselbe Profession?
Gespräch mit Lutz Stermann

Lutz Stermann, Jg. 1950, ist Teammanager der Profi-Mountainbiker des Teams T-Mobile. Zuletzt waren vier seiner Schützlinge auf olympischem Medaillenkurs in Athen. Mit 20 Jahren Erfahrung als Lehrbeauftragter des Landessportbundes NRW und 15 Jahren an der Trainerakademie Köln ist er zugleich in der Weiterbildung zuhause. Am Niederrhein leitet er ein eigenes Weiterbildungsinstitut. Mit ihm sprach Dr. Peter Brandt.

Lutz Stermann im Profi-Mountenbiker-TeamDIE: Herr Stermann, Sie sind für meine Fragen der favorisierte Gesprächspartner, weil Sie sowohl in der Weiterbildung als auch im Sport als Trainer arbeiten. Verstehen Sie sich als Erwachsenenbildner?

Stermann: Uneingeschränkt: Ja. Obwohl ich BWL studiert habe. In der täglichen Arbeit mit Menschen und in zahlreichen Zusatzausbildungen habe ich pädagogische Leitlinien kennen und umsetzen gelernt.

DIE: Verstehen sich Trainer gerne als Pädagogen?

Stermann: Dies würde ich unisono nicht behaupten, weder für die Weiterbildung noch für den Sport. Einige Trainer haben eine gewisse Abschottung gegenüber der Pädagogik verinnerlicht, die ich darauf zurückführe, dass sie mit Pädagogik reine Wissensvermittlung verbinden.

DIE: Wieviel Pädagogik gehört zur Trainerausbildung?

Stermann: Einige Trainerausbildungen im Weiterbildungsbereich lassen hier Tiefe vermissen. Kurzausbildungen mit klangvollen Titeln halte ich für einen Weg in die falsche Richtung. Trainer oder Unternehmensberater ist eben kein geschützter Beruf. Es gibt noch kein anerkanntes, einheitliches Gütesiegel als Qualitätsnachweis der Trainerausbildungen. Daran wird zur Zeit im Dachverband (DVWO) gearbeitet. Im Sport ist der Trainerberuf über ein Studium bzw. definierte Ausbildungsinhalte der Fachverbände und Landessportbünde einheitlich strukturiert. Dennoch nennen sich auch hier Personen Trainer, die keinen entsprechenden Ausbildungsgang nachweisen können. Zum Beispiel Klaus, der in der A-Jugend spielt und die E-Jugend trainiert. Er wird von den Kindern und den Vereinsmitgliedern automatisch Trainer genannt.

DIE: Wer bestimmt Inhalte und Strategien des Trainings?

Stermann: Dies ist ein gruppenorientierter Prozess. Mit dem Teamkapitän, dem Arzt, dem Leistungsdiagnostiker, dem Trainer und dem Manager wird die Generallinie zur Saisonplanung erstellt. In der Weiterbildung sind es Vorstandsmitglieder, Personaler und Auftraggeber. Die eigentlichen Strategien aber bestimmt der Trainer selbst.

DIE: Meine Frage zielt auf den Grundsatz der Teilnehmerorientierung.

Stermann: Ohne individuelle Abstimmung bei offener Diskussion über die Inhalte ist eine erfolgreiche Zusammenarbeit nicht denkbar. Der Sportler oder ein Unternehmen hat die Möglichkeit, seinen Trainer selbst zu bestimmen. Somit muss dieser als Dienstleister durch seine Kompetenz und seine Angebote überzeugen. Die Evaluation der Vertrauensgrundlage und der Rahmenbedingungen ist ein fortlaufender Prozess. Die offene und vorbehaltslose Wahrnehmung aller Argumente ist Grundlage der Zusammenarbeit.

DIE: Ist das Einüben von Verhalten und Fertigkeiten erwachsenengerecht?

Stermann: Bei der Einsetzung von Trainingsmethoden gehen wir davon aus, dass der Sportler oder der Weiterbildungsteilnehmer gewillt ist, sich zu verändern, sein Wissen zu erweitern und unsere Personenkompetenz anzuerkennen. Dann wird er auch unbequeme Methoden akzeptieren, die für das Erlernen notwendig sind.

DIE: Welches Menschenbild steckt hinter dem Trainingsbegriff?

Stermann: Trainer und Weiterbildner gehen in ihrer Tätigkeit von einem Menschenbild aus, das in der Werteordnung der Menschenrechte wurzelt. Sie beteiligen sich an der Entwicklung der Gesellschaft und unserer Welt. Sie übernehmen dabei besondere Verantwortung. Persönliche und soziale Fürsorgepflicht gegenüber den Trainingsteilnehmern ist ihnen wichtig. Sie fühlen sich gegenüber den Nachfragenden mit den Prinzipien Wahrheit, Klarheit, Vertraulichkeit verpflichtet. Die Teilnehmer sollen untereinander zu Respekt, Kollegialität, Fairness und Kooperationsbereitschaft angeleitet werden.

DIE: Gibt es eine spezielle Trainer-Ethik im Sport?

Stermann: Grundsätzlich nein. Wir müssen aber differenzieren, ob Sport Freizeitgestaltung oder Leistungssport darstellt. Bei der Freizeitgestaltung besteht der Erfolg im Erreichen des persönlich festgelegten Ziels, das Spiel gewinnen, ans Ziel kommen, die Natur wahrnehmen. Die Lust steht im Vordergrund. Beim Berufssport ist der Erfolg unmittelbar mit wirtschaftlichen Folgen verbunden. Das hat Auswirkungen auf ethische Fragen. Welcher Sportler hat schon die Größe, zuzugeben, dass der Elfmeter erschwindelt war, das Tor mit der Hand erzielt wurde? Ganz zu schweigen von den unerlaubten Aufputschmitteln. Der sportethische Grundsatz "Fair geht vor" ist im Berufssport nicht mehr sehr stark ausgebildet, da ein Sturz, eine Krankheit eines Konkurrenten den von uns betreuten Sportler kampflos ans Ziel oder eine Runde weiter bringt. Hier ist der Sport-Trainer in besonderer Art gefordert, Werte unserer Gesellschaft zu vermitteln und sich mit seinem Sportler auch diesen ethischen Herausforderungenzu stellen. Die Anforderungenan den Trainer von heute übersteigen bei weitem die Ausbildungsinhalte der Vergangenheit.

DIE: Was sind Sie als Trainer - Entertainer, Schleifer, Moderator, Kopf?

Stermann: Die Zeiten der Schleifer sind lange vorbei. Nur in konstruktiver, vertrauensvoller Zusammenarbeit ist Spitzenleistung zu generieren. Trainer als Partner und Dienstleister ist die neue Herausforderung - im Sport wie in der Weiterbildung.

DIE: Mussten Sie umlernen, als Sie vom Weiterbildungs- zum Sporttrainer wurden?

Stermann: Ja, stark. Der Sportler sieht zuerst nur den Sport und was er originär dazu braucht. Ihn für Laufbahnberatung, Sprachschulung, Verhaltenstraining etc. zu gewinnen, war am Anfang ein hartes Stück Arbeit. Und noch etwas ist im Sport anders: Sportler sind nach den Trainingseinheiten oft müde und unaufmerksam. Sie können nur schwer stillsitzen. Der Lerninhalt muss interessant und sportorientiert angeboten werden, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Die Kleidungsordnung ist sehr leger.

DIE: Gibt es auch Gemeinsamkeiten von Manager- und Spitzensport-Trainings?

Stermann: Wenn wir Spitzensport als Berufssport verstehen, ja. Stressbewältigung, Teamorientierung, Medienverhalten, Verhaltenstraining, Knigge, Leistungsoptimierung, Finanzverwaltung, Marketing - all das ist für den Manager wie für den Profisportler heute angesagt. So kommt es nicht von ungefähr, das immer mehr Manager der mittleren und oberen Führungsgarde unserer Nation an Incentivs, Trainingslagern, Ausbildungselementen für Sportler teilnehmen. Vorträge von Sportmanagern bei den Leistungsgremien unserer Großindustrie gehören inzwischen zum Alltag.

DIE: Wie erfolgsabhängig arbeiten Trainer in beiden Bereichen?

Stermann: In der Industrie habe ich noch nicht gesehen, dass ein Vorstandsmitglied nach einer großartigen Leistung auf seinen Trainer im Plenum zugegangen ist und sich bei ihm bedankt hat. Auch ist mir nicht bekannt, dass Vorstandsmitglieder kommunizieren, bei wem sie welche Verbesserungen an sich und/oder dem Unternehmen erreichen konnten. Der Sport, die Medien als Transportmittel und die Sponsoren ermöglichen die Anerkennung des Trainers. Mit dem Erfolg werden Sportler und Trainer genannt. König Otto von Griechenland war ein Medienspektakel in dieser Richtung. In der Weiterbildung ist dies
undenkbar.

DIE: Welche Erfolge schreiben Sie sich als Trainer zu?

Stermann: 1999 habe ich im Bereich Mountainbike Einzelpersonen übernommen. Deutschland war international im Mittelfeld aufgestellt. Aus Individualisten habe ich ein Team geschaffen. Dank der Gewinnung von Sponsoren, Leistungsdiagnostikern, bestem Equipment und einem erstklassigen Team rund um unsere Fahrer konnten wir nach einem Jahr zur Nr. 1 in Deutschland aufsteigen. Im zweiten Jahr waren wir das beste Profiteam der Welt und konnten diesen Platz bis heute halten. Eigenverantwortung, Verhaltenstraining, Laufbahnberatung, Sprachschulung sind neben Grundlagen- und Techniktraining, Ernährungsberatung, medizinischer Betreuung heute keine Fremdworte mehr für mein Team. Der Trainer als Dienstleister konnte leistungsfördernd umgesetzt werden. Der sportliche und persönliche Erfolg der Fahrer und des Teams ist bei jedem Mitglied des Teams spürbar. Drei Starter haben in Athen Chancen auf Edelmetall.

DIE: Danke für das Gespräch.

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Oktober 2004
Lutz Stermann / Peter Brandt , KÖNIG OTTO VON GRIECHENLAND - IN DER WEITERBILDUNG UNDENKBAR
URL: http://www.diezeitschrift.de/42004/stermann04_01.htm
Dokument aus dem Internetservice Texte online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung
http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp